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Kaleidoskop der
Groteske Von Thomas Molke / Fotos: © Sascha KreklauSeit Beginn der Spielzeit 2019/2020 kooperieren die Oper Dortmund, das Aalto-Musiktheater Essen, das Musiktheater im Revier Gelsenkirchen und die Oper Wuppertal mit dem eigens gegründeten Opernstudio NRW, um jungen Künstler*innen einen praxisorientierten Übergang vom Studium in ein Engagement zu ermöglichen. Dazu bieten die einzelnen Bühnen dem Nachwuchs die Möglichkeit, sich in kleineren Rollen an den einzelnen Häusern vom Frühbarock bis zur zeitgenössischen Musik ein breites Repertoire zu erarbeiten, Erfahrungen mit unterschiedlichen Regisseur*innen, Dirigent*innen und Orchestern zu sammeln und weitere Kontakte zu knüpfen. Außerdem können sie sich in Meisterkursen, die an diesen Häusern mit international renommierten Dozent*innen teilweise auch öffentlich abgehalten werden, weiterbilden. Ein weiterer Höhepunkt des Opernstudios ist am Ende der Spielzeit auch eine eigene Produktion. Nachdem zum Ende der vergangenen Spielzeit Giovanni Paisiellos Il Re Teodoro in Venezia auf dem Plan stand (siehe auch unsere Rezension), widmet man sich in diesem Jahr Kurzopern von Hans Werner Henze und Karl Amadeus Hartmann und versucht, diese mit einer Art Rahmenhandlung zu verbinden. Dabei stellt man den Direktor des Wundertheaters, Chanfalla, gemeinsam mit seiner Gefährtin zu Chirinos zu Beginn und am Ende gewissermaßen als Spielleiter*innen auf die Bühne. Ansonsten ist das verbindende Element zwischen diesen beiden Werken lediglich, dass Karl Amadeus Hartmann es Henze zu verdanken hatte, dass seine fünf Miniatur-Opern unter dem Titel Wachsfigurenkabinett zur Uraufführung gebracht wurden. Hartmann hatte dieses Werk ursprünglich für das 1928 an der Münchener Staatsoper gegründete Opernstudio komponiert. Zur Aufführung gelangte allerdings 1929 nur Leben und Sterben des heiligen Teufels, und auch dieses Stück wurde nur auf der Probebühne der Münchener Staatsoper ohne öffentliches Publikum präsentiert. Die Witwe von Ephesus wurde ebenfalls noch von Hartmann fertiggestellt, aber dann verließ der Librettist Erich Bormann die Staatsoper, und auch das Opernstudio wurde wieder aufgelöst. Eine für 1930 geplante Uraufführung am Stadttheater Münster scheiterte, da das privat geführte Theater aufgrund der Wirtschaftskrise bankrott ging. Henze ergänzte und orchestrierte schließlich mit Wilfried Hiller und Günter Bialas Hartmanns unvollständige Skizzen zu den übrigen drei Kurzopern Der Mann, der vom Tode auferstand, Fürwahr...?! und Chaplin-Ford-Trott und brachte das komplette Stück am 29. Mai 1988 bei der von ihm gegründeten Münchener Biennale im Deutschen Museum München zur Uraufführung. Zu diesem Zeitpunkt was Henzes Opernerstling Das Wundertheater, mit dem Hartmanns Wachsfigurenkabinett jetzt kombiniert wird, schon fast 40 Jahre alt. Chanfalla (Christopher Hochstuhl) und Chirinos (Rina Hirayama) führen das Publikum in Das Wundertheater an der Nase herum. Mit Das Wundertheater vertonte Henze ein Intermezzo von Miguel de Cervantes, dem Verfasser des Don Quixote, der darin 1615 nach der Reconquista, der Rückeroberung von Territorien durch die spanische Monarchie und "Zwangschristianisierung", der Gesellschaft den Spiegel vorhielt. Chanfalla und Chirinos kommen darin mit einem nicht vorhandenen Ensemble in eine Stadt und führen ein Theaterstück auf, ohne dass irgendjemand auf der Bühne steht. Sie behaupten jedoch, dass das Spiel nur von demjenigen zu sehen sei, der in einer "rechtmäßigen, christlichen Ehe gezeugt" worden sei. Da jeder im Publikum dies für sich in Anspruch nimmt, spielt man einander vor, dass man natürlich sieht, was auf der Bühne passiert, was zu sehr absurden Szenen führt. Nur ein einfacher Soldat, der Fourier fordert, den Platz für die ankommende Truppe zu räumen, und lässt sich nicht auf dieses Spiel ein. Stattdessen spricht er offen aus, dass alles nur Illusion ist. Dieser Realität will sich das Publikum jedoch nicht stellen und schlägt den Soldaten nieder. Henze bleibt dabei vollkommen in einer atonalen Tonsprache, was zwar gut zur Geschichte passt, musikalisch bisweilen aber sehr anstrengend ist. Die Rolle des Soldaten ist als Sprechrolle konzipiert. Schließlich bewegt er sich in der Realität und lässt sich im Gegensatz zu den anderen nicht blenden. Zsófia Geréb lässt die Figuren des Stückes in Rokokoperücken auftreten, um zu demonstrieren, dass hier alles mehr Schein als Sein ist. Davon zeugen auch die modernen Sneakers, die sie zu den opulenten Kostümen tragen. Miss Vera Bancoft (Heejin Kim) im Land der unbegrenzten Möglichkeiten Während Das Wundertheater gewissermaßen auf einer leeren Bühne vor einem geschlossenen Vorhang stattfindet und das Publikum im Stück auf einer Treppe vor dem Vorhang sitzt und den nicht vorhandenen Aktionen auf der Bühne aufmerksam folgt, werden die beiden Treppenelemente für das Wachsfigurenkabinett zur Seite geschoben. Die fünf Kurzopern von Hartmann stehen in der Abfolge in keinem inhaltlichen Zusammenhang. In einer Aufführung des Opernstudios der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf wurden die Stücke 2014 auch in einer anderen Reihenfolge gespielt. In Gelsenkirchen beginnt der Teil nach der Pause mit Leben und Sterben des heiligen Teufels. Die Geschichte handelt von den letzten Stunden des russischen Wanderpredigers Grigori Rasputin. Es folgt das skurrile Stück Der Mann, der vom Tode auferstand. Ein Mann schläft bei der Radioübertragung einer Revolutionsoper ein und glaubt, dass eine kommunistische Kampftruppe sein Wohnzimmer stürmt, obwohl es sich bei den Geräuschen nur um das Klingeln einer Hausglocke und hupende Autos vor seinem Fenster handelt. In Fürwahr...?! wollen zwei stark angetrunkene Männer dieselbe Haustür aufschließen und betrachten sich als Rivalen. Erst ein auftretender Schutzmann kann den Streit beilegen und aufklären, dass es sich bei den beiden um Vater und Sohn handelt, die im gleichen Haus wohnen. Während die beiden dann beruhigt einschlafen, kommt es zu einem Rendezvous des Schutzmannes mit der Frau des Hauses. Nicht weniger verrückt ist das folgende Stück Witwe von Ephesus. Ein Mann soll hingerichtet werden, da er nicht in der Lage ist, seine Familie zu ernähren. Eine Witwe, die vor kurzem ihren Mann verloren hat, beschließt, ihn zu retten und ihren verstorbenen Gatten stattdessen an den Galgen zu hängen. Als eigenständige Revue kann das letzte Stück Chaplin - Ford - Trott betrachtet werden, in dem ein recht zynisches Bild von Amerika als dem Land der 1000 Möglichkeiten gezeichnet wird. Hier kann jeder Erfolg und Ruhm erlangen, selbst Miss Vera Bancoft, die aus Langeweile ihren reichen Ehemann erschießt. Charlie Chaplin (David Martinez Morente, links) und Henry Ford (Maximilian Strestik) Anders als Henzes Opernerstling greift Hartmanns Musik in seiner Tonalität nicht nur populäre Modetänze des frühen 20. Jahrhunderts von Blues bis Charleston auf und parodiert sie, sondern zitiert mit grotesk harmonischen Schärfen auch Kirchenchoräle und Marschmusik. Für die einzelnen Szenen findet Bühnen- und Kostümbildner Ivan Ivanov stets eine fantasievolle Ausstattung, die den skurrilen Charakter der einzelnen Geschichten unterstreicht. So schwebt Demian Matushevskyi als Rasputin in einem weiten Mantel mit langem Rauschebart auf einem fahrbaren Untersatz über die Bühne. Mit großer Akribie bereitet der Chor der Verschwörer mit einem Eierkocher ein Ei zu, mit dem sie den Wunderheiler zu vergiften versuchen, wobei die Großfürstin (Heejin Kim mit kraftvollem Sopran) dem Anschlag zum Opfer fällt. In Fürwahr...?! wird eine Haustür aus einer Häuserfront herausgelöst, an der es zur Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn kommt. Yisae Choi und Oleh Lebedyev setzen diese Szene mit großem Spielwitz um, und Christopher Hochstuhl ist als Schutzmann der lachende Dritte. Maximilian Strestik und David Martinez Morente überzeugen vor allem als Henry Ford und Charlie Chaplin in Chaplin - Ford - Trott. Auch Margot Genet verkörpert hier als Dorothy glaubhaft den American Dream, während das Ensemble als Chor von Barjungen eine leicht ironisch gebrochene Revue präsentiert. So beweisen die jungen Solist*innen allesamt großes Talent, auch wenn der von Geréb intendierte szenische Bogen nicht ganz aufgehen will. Man versteht nicht wirklich, wieso am Ende die Treppen wieder vor den Vorhang geschoben werden und Chanfalla und Chirinos vom Wundertheater nach ihrer Fake-Vorstellung plötzlich fünf richtige Stücke präsentiert haben sollen.
FAZIT
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ProduktionsteamMusikalische Leitung Inszenierung Bühne und Kostüme Licht Dramaturgie
Neue Philharmonie Westfalen
BesetzungDas Wundertheater Chanfalla, Wundertheaterdirektor Chirinos, seine Gefährtin Der Knirps, ein Musiker Der Gobernadór Genito Repollo, Alcalde Theresa, seine Tochter Repollo, sein Neffe Juan Castrado, Regidor Juana Castrada, seine Tochter Pedro Capacho, Schreiber Ein Fourier Wachsfigurenkabinett Frau / Chor / Frauenstimme / Sie / Dorothy / Großfürstin / Chor / Frau / Katze / Frau / Katze Magd / Chor Chor der Verschwörer / Chor / Schutzmann / Chor der Verschwörer / Anführer / Zylinder / Felix / Zylinder / Jim / Ein Blinder Chor der Verschwörer / Chor / Sohn /
Bürgermeister / Barjunge / 1. Herr Chor der Verschwörer / Chor / Vater / Rasputin / Chor / Barjunge Chor der Verschwörer / Der Reiche / Mann / Wächter / Henry Ford Felix / Radiostimme / Charlie Chaplin / Jim /
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