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Hänsel und Gretel

Märchenspiel in drei Bildern
Libretto von Adelheid Wette
Musik von Engelbert Humperdinck


in deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 20' (eine Pause)

Premiere im Staatenhaus Köln-Deutz (Saal 2) am 19. Dezember 2021


Logo: Oper Köln

Oper Köln
(Homepage)

Zum Fürchten ist dieser Comic-Wald nicht

Von Stefan Schmöe / Fotos von Paul Leclaire

Das war knapp: Gerade noch rechtzeitig vor Weihnachten bringt die Kölner Oper den Klassiker Hänsel und Gretel auf die Bühne des Staatenhauses. Im benachbarten Bonn war das Theater mit demselben Werk einen Monat früher dran, und sollte jemand in NRW an einem Inszenierungsvergleich interessiert sein, er könnte sich auch noch die Hagener Neuproduktion anschauen. Wobei die Oper ja undankbar für Regisseur*innen ist, weil man ja immer die Erwartungen der jüngsten Besucher erfüllen muss. Das Märchen muss letztendlich erzählt sein, und das irgendwie zeitgemäß. Damit tun sich alle drei Produktionen schwer.

Szenenfoto

Idylle am Rand der Gesellschaft: Mutter gertrud (links), Hänsel (Mitte) und Gretel

Die Kölner Inszenierung von Béatrice Lachaussée ist die konventionellste geworden, weil sie letztendlich einfach nur auf das Märchen konzentriert und auf einen sozialkritischen Kontext verzichtet, der in den anderen beiden Aufführungen mal mehr (bei Holger Potocki in Hagen), mal weniger (bei Momme Hinrichs in Bonn) gut funktioniert. In Köln beginnt die Geschichte, anders als bei der Konkurrenz, nicht in einem tristen Mietshaus; zwar deutet auch hier die an ein Tiny House erinnernde Hütte am Waldrand auf erzwungenen Konsumverzicht hin, allerdings in einer durchaus abenteuerlich-sympathischen Weise: Arm, aber sexy. Wobei letzteres angesichts der eher unglücklichen Kostüme (Ausstattung: Dominique Wiesbauer) auch wieder nicht stimmt, denn Hänsel trägt eine doofe trichterartige Mütze und Gretel eine doofe rosa Perücke. (Rosa für ein Mädchen, auch beim Pullover? Liebes Regieteam, ein bisschen beherzter dürfte man das Geschlechtsrollenproblem dann doch angehen.)

Szenenfoto

Hänsel und Gretel mit Sandmännchen

Aber Moment, so weit sind wir noch gar nicht. Es gibt auch eine Vorgeschichte, und die wird zur Ouvertüre erzählt. Es war einmal eine glückliche Familie, die machte gemeinsam Ausflüge in den Wald, doch alsbald ward die Mutter krank und hustete gar schrecklich, und kurz darauf starb sie und ward begraben. (Obacht, Kinder: so kann's gehen, wenn Ihr nicht brav Eure medizinischen Masken ansteckt und die Mama mit dem bösen Virus infiziert! Sage da noch einer, Hänsel und Gretel habe keinen pädagogischen Wert mehr.) Die eigentliche Geschichte beginnt, so entnehmen wir's den Einblendungen auf dem Vorhang, sieben Jahre später. Irgendwelche Bedeutung für die Handlung hat das freilich nicht, denn einen wirklichen Charakter bekommt keine der Figuren; die Personenregie bleibt denkbar unbestimmt. Darin ist die Kölner Produktion sicher die uninspirierteste. Und Hänsel und Gretel sehen hier (das ist in Bonn und Hagen anders und sehr viel besser) nicht wie Kinder aus, sondern wie Erwachsene, die (eher schlecht) Kinder spielen.

Szenenfoto

Hänsel und Gretel am Hexenhaus

Wenn es in den Wald geht (eine besonders harte Strafe ist das für den Nachwuchs dieser sicher den Grünen nahestehenden Klientel vermutlich nicht), schlägt die Stunde der Videoeinspielungen (Grégoire Pont und Xavier Boyer). Auf den Wald, durch gestaffelte Vorhänge ganz effektvoll dargestellt, werden allerlei Comicwesen projiziert, mal bedrohliche Fratzen, mal die allerliebste Hagebutte. Es gibt viel zu sehen, und nicht nur für Kinder ist der Unterhaltungswert durchaus hoch. Die 14 Englein, die schon in Bonn und Hagen fehlten, gibt es auch hier nicht, Sand- und Taumännchen leiden unter dem Willen zur schrillen Kostümierung (so viel Ironie muss irgendwie sein) wie auch die Hexe. Wenn die die Hexe dann in den ziemlich großen Ofen, von den Abmessungen her, sagen wir mal: wie eine Gaskammer, gestoßen und die massive Tür mit großer Geste verschlossen wird, dann kann einem freilich unwohl werden. Da wird ein Mensch (das ist die Hexe ja trotz allem noch) verbrannt, und die Regisseurin inszeniert das wie nebenbei? Ziemlich geschmack- und gedankenlos. Wenn dann erst langsam die Drehbühne herumfahren muss, um die Lebkuchenkinder zu zeigen, wird ein Theatercoup eher unbeholfen verschenkt, aber das ist vielleicht dann auch nicht mehr so wichtig.

Szenenfoto

Hinter dieser Ofentür wird die Hexe in wenigen Augenblicken verbrannt

Das genaue Hinsehen rechtfertigt durchaus das einsame "Buh" für die Regie (nein, nicht vom Verfasser dieser Zeilen); oberflächlich betrachtet sieht das alles durchaus ganz hübsch aus. Dabei sichert sich die Regie vorsichtshalber durch einen gedanklichen Überbau ab, indem sie das alles als eine Art verfallenen Freizeitpark inszeniert - ein "Dreamland", und auch der Vater arbeitet angeblich in diesem Gewerbe (kann man im Programmheft nachlesen; in der Aufführung erschließt sich das nicht). Das Hexenhaus produziert offenbar Süßwaren (respektive Vergnügungen) industriell, und die riesigen Zahnräder auf der Bühne könnte man als Reminiszenz an Charlie Chaplins Modern Times verstehen - wäre es nicht so schlecht gemacht, dass nicht einmal die Zahnräder irgendwie ineinander greifen.

Szenenfoto

Erlöst: Die Lebkuchenkinder werden wieder lebendig

Und trotzdem ist die Kölner Aufführung im Vergleich die beste, und das liegt am famosen Gürzenich-Orchester und dem mitreißenden Dirigat von Chefdirigent Francoise-Xavier Roth, der die Partitur stark symphonisch interpretiert, das aber mit (das Klischee sei erlaubt) französischer Leichtigkeit statt deutschem Pathos, der großformatig auftrumpft und die Phantasieräume entstehen lässt, die von der Regie eher banalisiert und auf Kleinkindformat reduziert werden. Anna Lucia Richter und Kathrin Zuckowski als Hänsel und Gretel brillieren stimmlich großformatig, und Miljenko Turk und Judith Nielsen singen ein überzeugendes Elternpaar. Dalia Schaechter ist eine insgesamt solide Hexe mit Hang zum Verschleppen der Tempi, Ye Eun Choi ein unspektakuläres Sand- und Taumännchen. Schade, dass der Kinderchor (Knaben und Mädchen der Kölner Dommusik zwar klangschön, aber musikdramaturgisch unglücklich mit beharrlich weihevoll langsamen Tempi den Dirigenten ausbremst, der die Musik eigentlich unpathetisch flott denkt und auf eine große Steigerung hin anlegt.


FAZIT

Sehr ordentliche Solisten und ein tolles und toll dirigiertes Orchester: Musikalisch große Oper. Die Regie bebildert kleinkindgerecht.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
François-Xavier Roth

Inszenierung
Béatrice Lachaussee

Bühne und Kostüme
Dominique Wiesbauer

Video
Grégoire Pont

Co-Video
Xavier Boyer

Licht
Andreas Grüter

Choreographie
Annika Wiessner

Leiter der Kölner Dommusik
(Kinderchor)
Eberhard Metternich
Oliver Sperling

Dramaturgie
Georg Kehren


Statisterie der Oper Köln

Knaben und Mädchen der
Kölner Dommusik

Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

* Besetzung der Premiere

Peter
*Miljenko Turk /
Stefan Hadžić

Gertrud
*Judith Thielsen /
Adriana Bastidas-Gamboa

Knusperhexe
*Daliah Schaechter /
Jasmin Etezadzadeh

Hänsel
*Anna Lucia Richter /
Katrin Wundsam /
Marie-Luise Dressen

Gretel
* Kathrin Zuckowski /
Ana Fernández Guerra

Sand- und Taumännchen
*Ye Eun Choi /
Rebecca Murphy



Weitere
Informationen

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Oper Köln
(Homepage)



Da capo al Fine

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