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Musiktheater
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Tristan und Isolde

Handlung in drei Aufzügen
Text und Musik von Richard Wagner

in deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 4h 45' (zwei Pausen)

Aufführung im Rahmen der Festtage "Wagner 2022" am 1. Juli 2022

(Premiere: 5. Oktober 2019)

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Oper Leipzig
(Homepage)

Und metaphysisch kreist die Drehbühne

Von Stefan Schmöe / Fotos: Tom Schulze

Es passt in mehrfacher Hinsicht: Alle dreizehn Opern Richard Wagners innerhalb von drei Wochen, das ist der Geburtsstadt des Komponisten durchaus würdig. Es ist aber gleichzeitig eine künstlerische Bilanz der Ära Ulf Schirmer, der seit 2009 als Chefdirigent der Leipziger Oper, seit 2011 in Personalunion auch als Intendant die Geschicke des Hauses lenkt und eben viel, viel Wagner gespielt hat. Und es ist ein Abschiedsgeschenk an ihn, der anschließend die Ämter übergibt an Tobias Wolff (Intendanz) und Christoph Getschold (musikalischer Leiter). Neun der zehn bayreuthtauglichen Hauptwerke dirigiert Schirmer selbst, den Lohengrin und die Jugendwerke überlässt er Matthias Foremny, dem "ersten ständigen Gastdirigenten", sowie seinem designierten Chefdirigentennachfolger Christoph Gedschold. Ein Mammutprojekt allemal.

Szenenfoto Ensemble

Der recht jungen Inszenierung von Tristan und Isolde von Enrico Lübbe, dem Leipziger Schauspielintendanten, aus dem Jahr 2019 (siehe unsere Rezension) kann man sicher anrechnen, dass sie das Werk ernst nimmt und es im Wesentlichen librettogetreu erzählt. Das klappt im ersten Aufzug ganz gut, tritt im zweiten und dritten dann aber auf der Stelle, weil eben doch eine zündende Idee fehlt. Lübbe möchte, das kann man im Programmheft nachlesen, zwei Ebenen bedienen: Eine realistische Erzählebene und eine abstrahierende. Das Bühnenbild (Etienne Pluss) zeigt aufgebrochene Schiffsteile, einen "Schiffsfriedhof", worin man gleichzeitig die Ruinen großbürgerlicher Architektur erkennen kann. Als Chiffre für Stillstand, Todessehnsucht und Abschied von der Welt bei gleichzeitiger Erinnerung an die Rahmensetzung durch bürgerliche Werte ist das durchaus überzeugend, nur macht Lübbe wenig daraus - oder mit teilweise neuer Besetzung verliert sich die ursprüngliche Idee. In entscheidenden Momenten treten die Protagonisten aus diesem Bühnenbild heraus an die Rampe, wobei das Bühnenprotal gerahmt wird durch weiße Leuchtstoffröhren. Dieser eher schlichte Ansatz wird verstärkt dadurch, dass die Drehbühne eifrig gedreht wird, mitunter der Effekt noch verdoppelt wird durch Videosequenzen (fettFilm). Die reale Welt verschwimmt rotierend, um der Metaphysik Platz zu machen.

Szenenfoto

Brangäne

Lübbe verliert sich an den falschen Stellen in naturalistischer Kleinteiligkeit. Kurwenals aussichtslosen Kampf gegen die vermeintlichen Feinde Melot, Marke & Co. hat im Detail eigentlich noch nie interessiert, hier ist man fast peinlich berührt von dem störenden Aktionismus. Wichtiger wäre, wie Tristan eigentlich stirbt: Laut Libretto, indem er sich den Verband abreißt, eine letzte Verweigerung des irdisch-bürgerlichen Glücks; hier stirbt er eher zufällig in diesem Moment oder vielleicht an Herzschlag vor Freude über Isoldes Erscheinen. Dass er sich vor dem Sterben noch schnell die Hosenträger richtet, gehört in die Sphäre des bürgerlichen Schwanks. Lübbe gönnt den beiden dann die Vereinigung im Jenseits, in das sie Hand in Hand abgehen. Auch da gibt es sicher Inszenierungen, die Wagners Intention komplexer oder kritischer sehen, aber als Happy End light geht das einigermaßen plausibel durch. Schwieriger ist das große Duett im zweiten Aufzug, natürlich außerhalb des Bühnenbilds gesungen - an der Rampe stehend, quasi konzertant. Die Musik muss es richten.

Szenenfoto Brangäne mit Isolde

Das könnte sie, würde Andreas Schager seine Riesenstimme nicht so oft bis zum mehrfachen Fortissimo hochpegeln. Das Material hat er: Kraft, Glanz, Höhe, ein nicht zu helles Timbre, und enormes Durchhaltevermögen. Und kommt mitunter doch an seine Grenzen, wenn er die Stimme ein wenig zurücknehmen will und ihm der Ton wegbricht. Sicher, das klingt alles sehr eindrucksvoll, ist aber oft einfach zu laut. Zudem wäre eine Regie, die ihn nicht nur von einem Bein auf das andere wippend herumstehen lässt, hilfreich. Differenzierter gesungen und gespielt ist die Isolde von Catherine Foster mit kultiviert großer, dabei kontrolliert geführter Stimme. Beim Liebestod fehlt ein es an souveränem Abstand. Beeindruckend sind die sehr präsente, jugendlich frische Brangäne von Barbara Kozelj und der der kraftvoll zupackende Kurwenal von Matthias Hausmann. Die große Stimme von René Pape ist ein wenig brüchig geworden (was der Rolle natürlich gar nicht schlecht ansteht) und der eine oder andere Ton verwackelt, aber er singt einen eindrucksvoll zerrissenen Marke. Alvaro Zambrano gibt einen ordentlichen Steuermann, Matthias Stier einen ebensolchen Melot, und Martin Petzold verabschiedet sich mit dieser Vorstellung als tadellos singender Hirte nach 35 Jahren im Ensemble der Leipziger Oper von der Bühne. Ausgezeichnet singt der Herrenchor der Leipziger Oper (Einstudierung: Alexander Stessin).

Szenenfoto

Die "alte Weise" im moderaten Schneetreiben; hinten Kurwenal und Tristan sowie der Hirte

Ulf Schirmer dirigiert mit dem fabelhaften Gewandhausorchester einen romantisch wehmutvollen Tristan, mit Ruhe in den Vorspielen zum ersten und dritten Aufzug und mit viel Sinn für die Balance zwischen Orchester und Sängerensemble. Schirmer erzielt einen wunderbaren Mischklang und findet einen fließend "erzählenden" Duktus, der die Sänger*innen trägt und die Geschichte vorantreibt; gleichzeitig bleibt das Orchester die Triebfeder des Geschehens - eine große und bewegende Interpretation. Das Englischhorn wird mit der "alten Weise" im dritten Aufzug Teil des Bühnengeschehens (anders als in Dorian Drehers Düsseldorf-Duisburger Inszenierung ohne szenische Konsequenz, aber musikalisch großartig: Aurélian Laizé), plausibler wäre das bei der eigens nachgebauten (aber unsichtbar bleibenden) Holztrompete (Lukas Beno) gewesen.


FAZIT

Wenn man sich mit Schagers Dauerpower arrangiert, haben das Ensemble und nochmehr Orchester und Ulf Schirmers Dirigat Festspielniveau. Enrico Lübbes biedere Inszenierung stört dabei nicht allzu sehr.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Ulf Schirmer

Inszenierung
Enrico Lübbe

Co-Regie
Torsten Buß

Bühne
Étienne Pluss

Kostüme
Linda Redlin

Video
fettfilm

Licht
Olaf Freese

Chor
Alexander Stessin

Dramaturgie
Nele Winter

Komparserie der Oper Leipzig

Herrenchor der Oper Leipzig

Gewandhausorchester Leipzig

Solisten

Isolde
Catherine Foster

Brangäne
Barbara Kozelj

Tristan
Andreas Schager

Marke
René Pape

Kurwenal
Matthias Hausmann

Melot
Matthias Stier

Ein Hirt
Martin Petzold

Ein Steuermann
Franz Xaver Schlecht

Ein junger Seemann
Alvaro Zambrano



Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Oper Leipzig
(Homepage)



Da capo al Fine

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