! Hagen: Lohengrin / Online Musik Magazin

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Lohengrin

Romantische Oper in drei Akten
Text und Musik von Richard Wagner

In deutscher Sprache mit Übertexten

Aufführungsdauer: ca. 5h (zwei Pausen)


Premiere im Theater Hagen am 25. Februar 2024

Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
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Unglückliche Paradiesvögel

Von Stefan Schmöe / Fotos von Volker Beushausen

"Bei der Zucht müssen weiße und blaue Pfauen unbedingt getrennt gehalten werden." Man könnte diese Passage aus dem Programmheft als ornithologisches Spezialwissen abtun, hätte es nicht dramatische Bedeutung für die Geschichte: Lohengrin ist nämlich ein blauer, Elsa dagegen ein weißer Pfau. Klar, dass dann aus der Beziehung nichts werden kann. Während andere Inszenierungen nicht einmal den obligatorischen Schwan auf die Bühne bringen, stecken Regisseurin Nelly Danker und Kostümbildnerin Amélie Sator gleich das komplette Personal der Oper in Vogelkostüme. König Heinrich etwa ist ein Wiedehopf (schon in der Komödie Die Vögel des Aristophanes ist der Wiedehopf der Anführer), sein Heerrufer ein Blauhäher ("sehr anpassungsfähig" laut Programmheft), Ortrud ein Goldfasan ("galt als Insignie der Kaiserin") und deren Gatte Telramund ein Tragopan (eine Unterart der Fasane, "besonderes Balzverhalten"). Und den Schwan gibt es auch - das ist Elsas Bruder Gottfried, und das steht sogar so in Richard Wagners Libretto.

Vergrößerung in neuem Fenster Lohengrin als blauer Pfau, im Hintergrund der weiße Pfau Elsa

Nelly Danker war Assistentin von Hans Neuenfels, als dieser in Bayreuth den Lohengrin mit Laborratten bevölkerte. Jetzt also Federvieh; aber eine Variation von Neuenfels' eher unterkühlt-analytischer Sicht ist diese sehr sinnliche und bildmächtige Hagener Inszenierung beileibe nicht geworden. Danker und ihr Team erzählen mit scheinbarer Naivität ein Märchen und erschaffen dafür eine Kunstwelt, wobei die Kostüme allerlei Anspielungen auf die Moden unterschiedlichster Epochen zeigen. So schimmert immer auch das Gesellschaftsdrama durch. Gleichzeitig wird der Oper durch diese Ästhetik der martialische Grundton genommen, der vor allem in den Chören immer wieder zum Ausdruck kommt - in der Rahmenhandlung rekrutiert König Heinrich schließlich gerade ein Heer zur Verteidigung gegen die drohende Invasion der Ungarn. Eine Kriegsoper aber will Danker sicher nicht inszenieren. Ihr geht es um die Ausdeutung der Figuren und deren Psychologie, und natürlich um die rätselhafte Rolle des Gralsritters Lohengrin, der ohne ersichtlichen Grund um jeden Preis unerkannt bleiben muss. Und die Regie stellt auch die Frage, wer hier wen erlösen müsste. (Was natürlich plausibel ist, nicht zuletzt, weil Wagner über Lohengrins Vater Parsifal auch noch eine Oper komponierte, die auf die Formel "Erlösung dem Erlöser" hinausläuft.)

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Ortrud und Telramund

Die Drehbühne mit einer Felsgruppe im ersten und dritten und mit verschiebbaren Treppen im zweiten Aufzug spielt auf die neubayreuther Sachlichkeit Wieland Wagners und dessen Entrümplung der Bühne an, wird aber durch drei große Projektionsflächen ergänzt, auf denen Videosequenzen eingespielt werden (Bühne und Video: Robert Pflanz). Das können leicht verschwommene Bilder von Weiden am Fluss sein (schließlich befinden wir uns an der Schelde) oder auch die Fensterrosette einer gotischen Kathedrale (als Hinweis auf die Trauung von Lohengrin und Elsa im Münster, wenn auch architekturgeschichtlich - verortet ist die Geschichte im frühen 10. Jahrhundert - nicht ganz korrekt). Deren Kreisform wird aufgegriffen durch Bilder der Sonne und von Iris und Pupille eines Auges, was wiederum mit Elsas Federkostüm mit Pfauenrad korrespondiert. Es ziehen sich also auch visuelle Leitmotive durch das Stück. Die anfängliche Befürchtung, die Vogelwelt könne allzu schnell ermüden, bewahrheitet sich nicht. Auch wenn das gestische Vokabular nicht zuletzt durch die Kostüme reduziert ist, so zeichnet die konzentrierte Personenregie die Geschichte doch schlüssig nach.

Vergrößerung in neuem Fenster Ortrud und Telramund

Dass hier allerlei Dinge verhandelt werden, die durchaus von tagesaktueller Brisanz sind - die Angst vor einer kriegerischen Auseinandersetzung, die Hoffnung auf eine rettende Lichtgestalt, die Frage nach wahrer Identität und "Fake" - erfährt man aus Text und Musik, und dass sie nicht szenisch gedeutet oder verstärkt werden, ist keineswegs eine Verengung. Zumal diese wohltuende interpretatorische Offenheit der Szene trotz der Vogelwelt-Verfremdung der Musik entgegenkommt. Das kleine Hagener Theater beeindruckt dabei wie schon im Parsifal mit hoher künstlerischer Qualität. Joseph Trafton dirigiert die zuverlässigen und aufmerksamen Hagener Philharmoniker mit flüssigen Tempi und findet einen oft beinahe liedhaften, die Sängerinnen und Sänger schön begleitenden Tonfall, der den von Wagner ja als "romantische Oper" bezeichneten Lohengrin abgrenzt vom kommenden Musikdrama. Trotzdem kann es ganz schön "krachen", wenn die ausgezeichneten Blechbläser loslegen. Dabei klingen die Fanfaren weniger nach schmetternder Militärmusik als nach barocker Intrada.

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Lohengrin in Elsas Armen, daneben Gottfried als Schwan

Tobias Haaks singt mit leicht eingedunkeltem, etwas gedecktem, in der Höhe dennoch standfestem Tenor die Titelpartie, und auch wenn ein paar Töne verrutschen, ist das eine mehr als achtbare Leistung. Großformatig ist der klangschöne jugendlich-dramatische Sopran von Dorothea Herbert als Elsa. Neben diesen beiden Gästen sind alle anderen Partien aus dem hauseigenen Ensemble besetzt, und das (bis auf Kenneth Mattice, dessen nicht sehr großem Bariton einiges an Strahlkraft für den Heerrufer fehlt), sehr ordentlich. Durch und durch solide sind der König Heinrich von Dong-Won Seo und der Telramund von Insu Hwang. Mit zupackendem dramatischem Furor gibt Angela Davis eine fulminante Ortrud. Klangvoll und sehr zuverlässig singen Chor und Extrachor, die der Dirigent in den Fortissimo-Passagen ruhig noch etwas zurücknehmen könnte.


FAZIT

Auch wenn von diesem Lohengrin keine Neudeutung ausgeht, geht die originelle szenische Lösung mit vielen dezenten Anspielungen und Querverbindungen gut auf. Nicht zuletzt der guten musikalischen Umsetzung wegen eine sehens- und hörenswerte Produktion.





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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Joseph Trafton

Inszenierung
Nelly Danker

Bühne und Video
Robert Pflanz

Kostüme
Amélie Sator

Licht
Martin Gehrke

Chor
Julian Wolf

Dramaturgie
Francis Hüsers
Thomas Rufin


Statisterie
des Theaters Hagen

Chor und Extrachor
des Theaters Hagen

Philharmonisches Orchester Hagen


Solisten

König Heinrich
Dong-Won Seo

Lohengrin
Tobias Haaks

Elsa von Brabant
Dorothea Herbert

Telramund
Insu Hwang

Ortrud
Angela Davis

Heerrufer des Königs
Kenneth Mattice


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




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