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My Fair Lady

Musical in zwei Akten
nach George Bernard Shaws Pygmalion und dem Film von Gabriel Pascal
Buch und Liedtexte von Alan Jay Lerner
Deutsch von Robert Gilbert
Musik von Frederick Loewe

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 3 h 10' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus am 20. April 2024


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Und es regnet Pantoffeln

Von Thomas Molke / Fotos: © Björn Hickmann

My Fair Lady von Alan Jay Lerner und Frederick Loewe gilt als eines der berühmtesten und erfolgreichsten Musicals aller Zeiten, das nicht nur ab 1956 am Broadway und ab 1958 im Londoner West End mit über 2000 Aufführungen eine neue Ära des Musicals einleitete, sondern auch durch die legendäre und mit insgesamt acht Oscars ausgezeichnete Verfilmung mit Audrey Hepburn und Rex Harrison eine riesige Popularität erlangte. Wenn die Wahl auf die Inszenierung dieses Kassenschlagers fällt, hat ein Theater zwar einerseits einen Garanten für ausverkaufte Vorstellungen, setzt sich andererseits aber auch einem gehörigen Druck aus, da das Publikum in der Regel mit einer großen Erwartungshaltung kommt und es schon fast als ein Sakrileg erachtet, wenn auch nur die kleinste Kleinigkeit abgeändert oder entfremdet wird. Dem Regie-Team um Thomas Weber-Schallauer gelingt in Hagen jetzt der Spagat zwischen Stücktreue und kleineren Modernisierungsansätzen. Außerdem hat die Inszenierung für langjährige Besucherinnen und Besucher, die die Produktionen in Hagen vor 24 Jahren und vor 14 Jahren gesehen haben, auch noch einen Nostalgie-Faktor der besonderen Art. 2000 stand Richard van Gemert als schmachtender Freddy Eynsford-Hill auf der Bühne, während er nun den kauzigen Professor Higgins mimt. Regisseur Weber-Schallauer schlüpfte 2010 hier selbst in die Rolle des Oberst Pickering.

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Eliza (Vera Lorenz, Mitte) möchte bei Professor Higgins (Richard van Gemert, 2. von links) Sprachunterricht nehmen (ganz links: Ralf Grobel als Oberst Pickering, ganz rechts: Kristina Günther als Mrs. Pearce).

Während in der Essener Inszenierung am Aalto Theater in dieser Spielzeit das Blumenmädchen Eliza Doolittle einen Migrationshintergrund hat und bei dem kauzigen Professor Henry Higgins Sprachunterricht nimmt, um binnen sechs Monaten einen Sprachtest zur Einbürgerung zu bestehen (siehe auch unsere Rezension), bleibt Weber-Schallauer bei der ursprünglichen Version. Das Bühnenbild von Sandra Linde besteht aus drei großen Elementen, die durch Einsatz der Drehbühne schnelle Szenenwechsel ermöglichen. Ein Teil zeigt eine etwas heruntergekommene Gegend, in der Eliza als Blumenmädchen zu Beginn des Stückes ihr tristes Dasein fristet. Auf der rechten Seite befindet sich der Eingang zu einer schäbigen Kneipe, in der Alfred P. Doolittle mehr als einmal versucht, die Zeche zu prellen. Dass sich die feine Gesellschaft, die zu Beginn des ersten Aktes hier nach einem Theaterbesuch in Covent Garden auf ein Taxi wartend recht unwohl fühlt, ist gut nachvollziehbar. Der zweite Teil des Bühnenbildes zeigt in zwei Ebenen Higgins' Haus in der Wimpole Street in giftgrünen Tönen. Fantasievolle Apparaturen kennzeichnen Higgins als skurrilen Kauz der Phonetik. Eine geschwungene Treppe führt in die obere Etage. Die Wände sind mit Bildern dekoriert, auf denen sich Bücher befinden, die einzige Kunst, die ein Mensch wie Higgins zu würdigen weiß. Das dritte Bühnenelement, das für Ascot, den Diplomatenball und Garten bei Higgins' Mutter verwendet wird, ist mit mehreren Stufen eher abstrakt gehalten und ermöglicht einen flexiblen Einsatz.

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"Ich sehe Krähen in der Nähe": Eliza (Vera Lorenz) und Professor Higgins (Richard van Gemert) beim Sprachunterricht

Die Kostüme von Yvonne Forster zeichnen vor allem bei Eliza die Entwicklung vom Blumenmädchen zur feinen Lady mit allen Schwierigkeiten und Hindernissen auf dem Weg überzeugend nach. So wird aus der zotteligen und unfrisierten Eliza zunächst eine Schülerin mit "braven" Zöpfen, deren Lumpen vom Beginn des Stückes gegen ein Kleid getauscht werden, das ihr viel zu groß ist und sie absolut albern erscheinen lässt, damit aber eigentlich nur zum Ausdruck bringt, dass Higgins und Pickering nicht die geringste Ahnung oder vielleicht auch nicht das geringste Interesse daran haben, sie für den Unterricht angemessen zu kleiden. Dass Eliza in diesem Outfit zunächst auch keine Fortschritte beim Sprachunterricht macht, verwundert folglich nicht. Für das Pferderennen in Ascot trägt Eliza dann ein ausladendes hellblaues Kleid, das sie wie ein Osterei aussehen lässt und zeigt, dass dieser Versuch, Eliza in die feine Gesellschaft einzuführen, ebenfalls zum Scheitern verurteilt ist, auch wenn die Gesellschaft in Ascot in den Kostümen von Linde auch karikiert wird, allerdings nicht so übertrieben wie Eliza. Für den Diplomatenball ist Eliza schließlich in einer dunkelroten Robe ganz Dame und hebt sich von der Gesellschaft in der transsilvanischen Botschaft, die eher einem Gruselfilm des Gothic-Genre zu entstammen scheint, sehr positiv ab. Nun hat sie ihre Entwicklung vollendet, sich damit aber auch den Weg zurück in ihr altes Leben verschlossen.

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Higgins (Richard van Gemert, rechts) präsentiert Eliza (Vera Lorenz, rechts am Arm von Ralf Grobel als Pickering) beim Pferderennen in Ascot (vorne von links: Freddy Eynsford-Hill (Anton Kuzenok), Mrs. Eynsford-Hill (Dorothee Ueter), Mrs. Higgins (Kerstin Thielemann), Lady Boxington (Andrea Kleinmann) und Lord Boxington (Götz Vogelgesang), im Hintergrund der Chor).

Dem Happy End vertraut Weber-Schallauer nicht. Nachdem Higgins Eliza überraschend im Garten seiner Mutter vorfindet und erbost darüber ist, dass sie nicht bereit ist, mit ihm "nach Hause" zurückzukehren, gönnt ihm zwar die letzte Nummer kurz vor dem Schluss des Stückes, "Ich bin gewöhnt an ihr Gesicht", einen Moment der Einsicht. Elizas Rückkehr in die Wimpole Street inszeniert Weber-Schallauer jedoch nur als Traumvision. Das Bühnenbild dreht sich während Higgins' Lied von der Wimpole Street zu dem dritten abstrakt gehaltenen Bühnenbild, in dem Eliza mit einem Buch in der Hand sitzt und liest. Der folgende Dialog zwischen Eliza und Higgins wird über Band eingespielt, um deutlich zu machen, dass er sich nur in Higgins' Kopf abspielt. Wenn er sie dann mit einer gewissen Selbstgefälligkeit bittet, ihm seine Pantoffeln zu reichen, erhebt sich Eliza und verlässt das Buch auf dem Kopf balancierend den Raum. Anschließend regnen aus dem Schnürboden zahlreiche Pantoffeln auf Higgins herab. Solche Selbstgefälligkeiten konnte man sich als Mann zur Entstehungszeit des Musicals vielleicht noch erlauben. In der heutigen Zeit funktioniert das nicht mehr.

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Eliza (Vera Lorenz) mit Higgins (Richard van Gemert) auf dem Ball in der transsilvanischen Botschaft (Chor und Ballett)

Das Ensemble begeistert durch große Spielfreude. An erster Stelle ist hier natürlich Vera Lorenz in der Titelpartie zu nennen, die eine glaubhafte Wandlung vom Blumenmädchen zur feinen Lady vollzieht und beides absolut überzeugend verkörpert. Als berlinerndes Blumenmädchen mimt sie eine rotzfreche Göre, die zwar die Ohren des Professors mit ihren Lauten beleidigt, dabei aber unter Beweis stellt, dass sie keineswegs auf den Mund gefallen ist und ihren Standpunkt klar zu vertreten weiß. Bei ihrem ersten Song "Wäre det nicht wundascheen?" strahlt sie eine herrlich reine Naivität aus, die mit einer gewissen Güte vermischt ist, wenn sie bereit ist, ihrem Vater etwas von ihrem hart erworbenen Geld abzugeben. Bei "Wart's nur ab!" zeigt sie sich absolut kampfbereit und stellt sich wunderbar plastisch vor, wie sie Higgins vom König hinrichten lässt. Van Gemert tritt dazu mit Augenbinde auf und sackt nach dem "Feuer"-Befehl zusammen. Beim legendären "Es grünt so grün" zeigt sich Lorenz genauso glücklich naiv wie beim folgenden "Ich hätt' getanzt heut' Nacht", bei dem Mrs. Pearce und die Dienstmädchen verzweifelt versuchen, sie ins Bett zu bringen. Großartige Komik verströmt sie bei ihrem Auftritt in Ascot, bevor sie beim Diplomatenball beim Tanz mit dem kruden Zoltán Kárpáthy, der ein wenig an Graf Dracula erinnert, den Test als vornehme Lady endgültig besteht. Nun bewegt sie sich mit Higgins auf Augenhöhe.

Richard van Gemert kann als Paradebesetzung für Henry Higgins betrachtet werden. Mit absoluter Selbstverständlichkeit haut er die Unverschämtheiten und Frauen verachtenden Bemerkungen des Professors heraus, ohne sich irgendeiner Schuld bewusst zu sein. Dabei sorgt er mit seiner schroffen Art und Schlagfertigkeit für zahlreiche Lacher im Publikum. Mit großartiger Arroganz und Überheblichkeit präsentiert er direkt zu Anfang den Song "Kann denn die Kinder keiner lehren", in dem er den Verfall der englischen Sprache beklagt und dem einen oder anderen Pädagogen vielleicht aus der Seele spricht. Als weiterer darstellerischer Höhepunkt darf seine Interpretation des Liedes "Bin ein Mann wie jeder Mann" betrachtet werden, in dem er die Vorteile des Single-Daseins lobt und das Horrorszenario beschreibt, das sich einstellt, wenn ein Mann sich auf eine Frau einlässt. Schmunzeln lässt auch seine Darbietung des Liedes "Kann eine Frau nicht sein wie ein Mann", wenn Eliza das Haus verlassen hat und er sich noch nicht eingestehen will, dass ihm etwas an ihr liegt. Vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass Mrs. Pearce (Kristina Günther) in einer Hose auftritt und optisch recht maskulin wirkt. So passt sie vielleicht besser in die Welt eines Higgins.

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Alfred P. Doolittle (Ansgar Schäfer, Mitte) mit Jamie (Robin Grundwald, links) und Harry (Matthias Knaab, rechts)

Zum Publikumsliebling avanciert auch Ansgar Schäfer als Alfred P. Doolittle, der mit seinen beiden Songs "Mit 'nem kleenen Stückchen Glück" und "Bringt mich pünktlich zum Altar" den Saal zum Mitklatschen und Jubeln bringt. Dabei ist die Begeisterung für diese Figur eigentlich nicht wirklich nachvollziehbar, da Doolittle als Vater eine Katastrophe ist. Aber Schäfer spielt diesen miesen Charakter mit viel Schalk aus, so dass man ihm das wohl nicht übel nehmen kann. Ralf Grobel gibt den Oberst Pickering mit großer Komik als leicht weltfremden Mann, der zwar Eliza am besten von den Männern behandelt, sich ihrer Gefühle allerdings nicht wirklich bewusst ist. Anton Kuzenok punktet als Freddy Eynsford-Hill mit lyrischem Tenor, kann als Mann von Eliza jedoch auch nicht wirklich ernst genommen werden. Seine Liebesbekundungen sind allesamt nur leere Phrasen, die er auf Zetteln notiert, die Eliza ihm bei ihrem Wutausbruch "Tu's doch" an den Kopf wirft. Auch die übrigen kleineren Partien sind allesamt gut besetzt. Steffen Müller-Gabriel führt das Philharmonische Orchester beschwingt durch die bekannten Melodien, so dass es am Ende stehende Ovationen für alle Beteiligten gibt und auch das Regie-Team zu Recht mit großem Jubel bedacht wird.

FAZIT

Thomas Weber-Schallauer gelingt es mit einer liebevollen Inszenierung, dem Stück die Treue zu halten und doch kleinere Modernisierungen einzuführen. Das Ensemble begeistert auf ganzer Linie.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Steffen Müller-Gabriel

Inszenierung
Thomas Weber-Schallauer

Bühne
Sandra Linde

Kostüme
Yvonne Forster

Choreographie
Riccardo De Nigris

Licht
Hans-Joachim Köster

Chor
Julian Wolf

Dramaturgie
Otto Hagedorn

 

Chor des Theaters Hagen

Ballett Hagen

Philharmonisches Orchester Hagen


Solistinnen und Solisten

Henry Higgins
Richard van Gemert

Eliza Doolittle
Vera Lorenz

Alfred P. Doolittle, ihr Vater
Ansgar Schäfer

Oberst Pickering
Ralf Grobel

Freddy Eynsford-Hill
Anton Kuzenok

Mrs. Pearce
Kristina Günther

Mrs. Higgins
Kerstin Thielemann

Mrs. Eynsford-Hill
Dorothee Ueter

Harry / Zoltán Kárpáthy
Matthias Knaab

Jamie
Robin Grunwald

Erster Obsthändler
Bernd Stahlschmidt-Drescher

Zweiter Obsthändler 
Egidijus Urbonas

Dritter Obsthändler
Dirk Achille

Vierter Obsthändler
Johannes Richter

Frau aus Hoxton
Sophia Franke

Frau aus Selsey
Nina Andreeva

Mrs. Hopkins / Frau am Fenster
Verena Grammel

Ärgerlicher Mann
Johan de Bruin

Lord Boxington
Götz Vogelgesang

Lady Boxington
Andrea Kleinmann

George, Kneipenwirt
Sebastian Joest

Charles / Majordomus / Blumenmädchen
Tobias Kramm

Stubenmädchen
Elizabeth Pilon
Anja Frank-Engelhaupt

 


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




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