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Der Mann von La Mancha
(Man of La Mancha)

Musical
Buch von Dale Wasserman
Gesangstexte von Joe Darion
Deutsche Übersetzung von Robert Gilbert
Musik von Mitch Leigh

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 1 h 55' (keine Pause)

Premiere im Großen Haus im MiR am 29. März 2025

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Musiktheater im Revier
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Bewusste Realitätsflucht

Von Thomas Molke / Fotos:© Pedro Malinowski

El ingenioso hidalgo Don Quixote de La Mancha (Der sinnreiche Edelmann Don Quixote de La Mancha) von Miguel de Cervantes Saavedra gilt als erster moderner Roman der Weltgeschichte und ist das bis heute berühmteste Buch der spanischen Literatur. 2002 wurde das Werk zum "besten Buch der Welt" gewählt. Die Geschichte um den Landadeligen Alonso de Quijana, der nach der Lektüre unzähliger Ritterromane verrückt wird und beschließt, fortan als fahrender Ritter Don Quixote (in den meisten Übersetzungen als Don Quijote oder Don Quichotte) durch die Welt zu reisen und das Unrecht zu bekämpfen, hat seitdem auch zahlreiche Komponisten inspiriert, den Stoff zu vertonen. Neben Jules Massenets "Alterswerk", mit dem Massenet bei der erfolgreichen Uraufführung 1910 in Monte Carlo ein persönliches Lebensfazit zog, dürfte das Musical Man of La Mancha von Mitch Leigh und Dale Wasserman von 1965 die bekannteste Vertonung sein, nicht zuletzt durch die berühmte Verfilmung von 1972 mit Peter O'Toole und Sophia Loren in den Hauptrollen. Nachdem Carsten Kirchmeier als Regisseur die Spielzeit am MiR mit dem kleinen Horrorladen äußerst erfolgreich eröffnet hat (siehe auch unsere Rezension), folgt nun ein weiterer Musical-Klassiker in seiner Handschrift, dieses Mal allerdings im Großen Haus.

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Auf der Suche nach neuen Abenteuern: Don Quijote (Philipp Kranjc, vorne links) und sein Knappe Sancho (Benjamin Lee, vorne rechts) (im Hintergrund von links: Robert Brouwer, Byungsun Kang, Adam Temple-Smith und Nikko Forteza)

Das Musical erzählt im eigentlichen Sinne nicht die Geschichte des Romans, sondern die seines Autors Miguel de Cervantes Saavedra. Zu Beginn wird er mit seinem Assistenten in den Kerker geworfen, weil er als Steuereintreiber eine Kirche pfänden wollte. Die Gefangenen unterziehen Cervantes unter der Leitung des selbsternannten Gouverneurs und eines sehr missgünstigen Herzogs einem Tribunal und beschuldigen ihn, ein Idealist und schlechter Dichter zu sein. Daraufhin beginnt er seine Verteidigung, indem er die Geschichte von Don Quijote erzählt und die Mitgefangenen immer mehr in das Spiel einbezieht. So gelingt es ihm, dass die käufliche Küchenmagd Aldonza, die Don Quijote als Edeldame Dulcinea verehrt, nach anfänglicher Ablehnung und zahlreichen Rückschlägen schließlich doch den Namen Dulcinea für sich beansprucht. Am Ende wird Cervantes zu seinem Prozess gerufen. Der Gouverneur rät ihm, sich dort genauso zu verteidigen, wie er es vor den Gefangenen getan habe. Dann werde er auch das Gericht davon überzeugen, in einer Welt voller Ungerechtigkeit den "unmöglichen Traum" einer besseren Welt zu träumen.

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Don Quijote (Philipp Kranjc, auf der Bank stehend) begegnet Aldonza (Elisabeth Hübert) (rechts: Benjamin Lee als Sancho, im Hintergrund links: Sebastian Seitz als Herzog).

In einer Welt voller Krieg und sozialer Ungerechtigkeit ist die Geschichte aktueller denn je, so dass das Regie-Team um Carsten Kirchmeier hier eigentlich gar nichts zu aktualisieren braucht. Dennoch fügt Kirchmeier eine Szene ein, in der die Statisterie als Gefängniswärterinnen und Gefängniswärter ohne erkennbaren Grund einen Akt der Willkür gegenüber den Gefangenen verüben. So wird ein Gewaltsystem gezeigt, dem man mit Vernunft und logischem Menschenverstand nicht begegnen kann. Hier hilft nur die Realitätsflucht, um nicht zu verzweifeln oder wahnsinnig zu werden. Bühnenbildnerin Katrin Hieronimus hat eine kalte, gnadenlose Gefängniswelt entworfen, die mit ihren offenen Gittern keinerlei Möglichkeit zum Rückzug bietet. Im linken Hintergrund befindet sich eine Art offene Zelle, in der der Herzog thront, der zwar unter den Gefangenen eine gewisse Vormachtstellung besitzt, der willkürlichen Gewalt des Systems aber ebenfalls hilflos ausgesetzt ist. Alles ist hier bewusst schäbig gehalten, um die armselige Welt des Gefängnisses hervorzuheben. Gleiches gilt auch für die Kostüme von Katharina Beth, die vom beige-farbenen Overall bis zu den Turnschuhen bei allen Gefangenen einheitlich gehalten sind.

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Antonia (Marie Ploner, rechts) und die Haushälterin (Anke Sieloff, links) bedrängen den Padre (Adam Temple-Smith, in der Mitte) (hinten links: Sebastian Seitz, hinten rechts: Byungsun Kang).

Und dennoch gelingt es, in dieser tristen Welt in die fantasievolle Geschichte des Don Quijote einzutauchen. Es reichen kleine Requisiten, die fast wie bei einer improvisierten Aufführung wirken, um in die Geschichte hineingezogen zu werden. So verwandelt sich ein Mitgefangener in den Padre, indem er sich eine lange weiße Unterhose als Ornat umlegt, um Quijanas Nichte Antonia und der Haushälterin die Beichte abzunehmen oder sich später mit Antonias Verlobtem Dr. Carrasco, der vom Herzog gespielt wird, auf den Weg zu machen, um Don Quijote von seinem Wahnsinn zu "heilen". Aldonza schickt dem Ritter einen schmutzigen Putzlappen, den dieser sehr zum Unverständnis der anderen als wertvolles Spitzentuch verehrt. Als Rüstung dienen Don Quijote ein dreckiger Wischmob als Lanze und der Deckel eines Topfes als Schild, während der Topf selbst als Helm dient. Die einzelnen Szenen der Geschichte werden mit umgedrehten Tischen glaubhaft nachgestellt, und so lässt man sich wie die Gefangenen auf diese Traumwelt ein, aus der immer wieder ein kalter Lichtwechsel in die Realität zurückruft, wenn aus dem Off die Stimme des Hauptmanns erklingt, die ankündigt, dass Cervantes bald der Prozess gemacht werde.

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Dr. Carrasco (Sebastian Seitz, links) und der Padre (Adem Temple-Smith, Mitte) wollen Don Quijote (Philipp Kranjc, rechts) von seinem Wahnsinn "heilen".

Wenn der Intendant Michael Schulz vor der Vorstellung für eine Ansage vor den Vorhang tritt, ist man im Publikum ein wenig beunruhigt, zumal es sich um den Hauptdarsteller Philipp Kranjc handelt, der aufgrund einer Verletzung an einer Rippe in seinem Spiel als ein wenig eingeschränkt entschuldigt wird. Kranjc meistert die Partie des Cervantes allerdings nicht nur stimmlich mit kraftvollem Bariton, sondern auch darstellerisch mit Bravour. Wenn sein Gesicht an einigen Stellen von Schmerz verzerrt ist, lässt sich nicht unterscheiden, ob es jetzt der Szene geschuldet ist, in der der Figur des Don Quijote sich wirklich von einer körperlichen Niederlage erholen muss, oder das Spiel Kranjc an dieser Stelle wirklich übermäßig anstrengt. Dass er sich im Kampf mit den Maultiertreibern ein wenig zurückhält, könnte man ebenfalls als passend zur Figur des Don Quijote betrachten, der ja alles andere als ein wahrer Held ist. Großes Lob verdient auch Benjamin Lee als Don Quijotes Knappe Sancho. Lee überzeugt mit weichem Tenor und keckem Spiel. Besonders bewegend gelingt sein Song "Ich mag ihn", in dem er Aldonza erklärt, warum er Don Quijote begleitet.

Für die Partie der Aldonza hat man Elisabeth Hübert ans MiR geholt. Stimmlich und darstellerisch ist sie eher eine Dulcinea als eine Aldonza. Für die rotzfreche Küchenmagd, die sie zu Beginn ist, hätte man sich ein etwas burschikoseres Spiel gewünscht. In ihrer ersten Arie klingt ihr Sopran etwas zu lieblich und erinnert eher an Quijanas Nichte Antonia. Die Bitterkeit der Aldonza, die sich keiner Illusion mehr hingibt, setzt Hübert darstellerisch glaubhaft um. Vor allem der Wechsel zur selbsternannten Dulcinea gelingt ihr am Ende bewegend. Sebastian Seitz gibt einen herrlich missgünstigen Herzog, der sich sehr zum eigenen Entsetzen in der Rolle des Dr. Carrasco wiederfindet und sich so bei aller Gegenwehr doch von Cervantes' Spiel einfangen lässt. Anke Sieloff überzeugt als Gouverneur und versprüht als Haushälterin eine gewisse Komik. Marie Ploner legt die Nichte Antonia mit mädchenhaftem Sopran an, versteht es dabei jedoch, ihre scheinbare Unschuld ein wenig zu karikieren. Auch die übrigen Darsteller schlüpfen überzeugend in die Rollen im Stück und punkten als Ensemble auf ganzer Linie. Mateo Peñaloza Cecconi führt die Neue Philharmonie Westfalen mit leichter Hand durch die Partitur, so dass es am Ende verdienten und großen Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Der Mann von La Mancha hat auch nach fast 50 Jahren nichts von seinem Charme und seinem Reiz verloren und ist thematisch (leider) immer noch hochaktuell.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
*Mateo Peñaloza Cecconi /
Askan Geisler

Inszenierung
Carsten Kirchmeier

Bühne
Katrin Hieronimus

Kostüme
Katharina Beth

Choreographie
Tenald Zace

Licht
Jan Wittkowski

Dramaturgie
Larissa Wieczorek

 

Neue Philharmonie Westfalen

Statisterie des MiR

 

Solistinnen und Solisten

*Premierenbesetzung

Cervantes (Alonso Quijana alias "Don Quijote")
Philipp Kranjc

Assistent (Sancho)
Benjamin Lee

Aldonza
Elisabeth Hübert

Padre / Maultiertreiber
Björn Christian Kuhn /
*Adam Temple-Smith

Gouverneur (Wirtin / Haushälterin)
Anke Sieloff

Herzog (Dr. Carrasco)
Sebastian Seitz

Barbier / Maultiertreiber
Nikko Forteza

Antonia
Marie Ploner

Wirt
Urban Malmberg

Maultiertreiber
Maksim Andreenkov
Robert Brouwer
Byungsun Kang

Stimme des Hauptmanns
Maximilian Teschemacher



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