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Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
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Magie des TheatersVon Thomas Molke / Fotos: © Felix GrünschloßMit Händels Rinaldo steht in diesem Jahr die Oper des Hallenser Komponisten auf dem Programm, mit dem sein kometenhafter Aufstieg in London begann. Dabei war es nicht nur Händels erste Londoner Oper, sondern die erste für London komponierte italienische Oper überhaupt. Für Händel bedeutete die Uraufführung 1711 einen so großen triumphalen Erfolg, dass er sich fortan in London niederließ und dort zum bedeutendsten Komponisten aufstieg, der in den folgenden Jahrzehnten zunächst mit seinen Opern und später mit seinen Oratorien das englische Musikleben nachhaltig prägte. Nachdem sein erstes Opernunternehmen 1728 aufgrund horrender Gagen der Sängerinnen und Sänger und zahlreicher Skandale bankrottgegangen war und er mit der Second Academy in den ersten drei Jahren nicht sofort an die alten Erfolge anknüpfen konnte, entschloss er sich, auch ältere Erfolgsopern wiederaufzunehmen. In diesem Zusammenhang unterzog er seinen Rinaldo einer radikalen Überarbeitung, bei der nur rund ein Viertel der ursprünglichen Musiknummern in unveränderter Form übernommen wurde. In Karlsruhe hat man sich nun entschieden, diese heute wesentlich unbekanntere Fassung auf den Spielplan zu stellen, so dass es auch für ein mit dem Werk relativ vertrautes Publikum einiges Neues zu entdecken gibt. Erzählt wird die Geschichte des jungen Kreuzritters Rinaldo, der im Ersten Kreuzzug unter dem christlichen Heerführer Gottfried von Bouillon (Goffredo) bei der Eroberung der Stadt Jerusalem gemäß Torquato Tassos berühmtem Epos Gerusalemme liberata eine bedeutende Rolle gespielt haben soll. Die Zauberin Armida erkennt, dass die belagerte Stadt ihres Verbündeten und Geliebten Argante nur vor den Kreuzrittern bewahrt werden kann, wenn Rinaldo außer Gefecht gesetzt wird. Also entführt sie seine Geliebte Almirena, die Tochter Goffredos, und bringt damit auch Rinaldo in ihre Gewalt. Allerdings verliebt sie sich in den Kreuzritter, während Argante Gefallen an Almirena findet. Schließlich kann Goffredo mit Hilfe des Zauberers Mago Rinaldo und Almirena aus den Fängen Armidas befreien. Es kommt zur entscheidenden Schlacht, bei der die Stadt eingenommen wird, die aber in der zweiten Fassung von 1731 nicht derart ausgeschmückt wird wie in der ursprünglichen Version. Auch auf Armidas und Argantes Bekehrung zum christlichen Glauben wird verzichtet. Stattdessen fliehen die beiden und suchen sich ein neues Reich. Goffredo ernennt sich zum König des in Trümmern liegenden Jerusalem, und einer Vermählung zwischen Rinaldo und Almirena steht nun nichts mehr im Wege. Armida (Valeria Girardello) hat Rinaldos (Lawrence Zazzo) Geliebte Almirena entführt. Auch wenn die zweite Fassung damals aus Kostengründen nicht mit den gleichen Bühneneffekten aufgefahren haben soll wie die Version von 1711, entfacht das Regie-Team um Hinrich Horstkotte durchaus einen magischen Bühnenzauber, was sich in großartigen Bühnenbildern, für die Horstkotte als Regisseur selbst verantwortlich zeichnet, und eindrucksvollen Videoinstallationen von Sven Stratmann äußert. Auch auf den damaligen Einsatz echter Spatzen bei der Uraufführung wird angespielt, wenn bisweilen relativ unvermittelt ganze Vögelschwärme in der Projektion durch das Bild fliegen. Die echten Spatzen sollen 1711 auch nicht nur in Almirenas "Augeletti"-Arie zwitschernd durch den Saal geflogen sein. In Horstkottes Inszenierung gibt es sogar ein Nest mit Eiern, das an der Rampe vor dem Vorhang liegt. Wieso sich neben den Eiern ein Totenkopf befindet, erschließt sich allerdings nicht. Soll er die Zerstörung Jerusalems symbolisieren? Am Ende nimmt Rinaldo jedenfalls den Totenkopf aus dem Nest, zerquetscht die Eier und isst eines davon. Argante (Francesca Ascioti, vorne links) ruft Armida (Valeria Girardello, Mitte) herbei. Wenn sich der Vorhang zum ersten Akt öffnet, befindet man sich gewissermaßen über den Dächern der Stadt. Hinter einer erhöhten Bühne sieht man die Dachspitzen mit einer großen Kuppel in der Mitte. Das Bild wird in einer Projektion fortgesetzt. Die Kuppel öffnet sich dann wie ein Ei, wenn die Zauberin Armida erscheint. Die Kreuzritter um Goffredo sind in weiße Kostüme gekleidet, die zahlreiche rote Spritzer für das bereits vergossene Blut aufweisen. Ihre weiße Haarpracht ist in üppigem Barock gehalten. Nur Rinaldo unterscheidet sich von der Masse durch seine dunkleren Haare und sein überwiegend rotes Kostüm. Vielleicht zögert Goffredo auch deshalb, ihn mit seiner Tochter Almirena zu vermählen. Wenn Argante, der in dieser Fassung keine Bass-Partie sondern eine Hosenrolle ist, nahezu slapstickartig das Friedensangebot der Kreuzritter ausgeschlagen hat und die Zauberin Armida zur Hilfe ruft, entfacht diese einen regelrechten Bühnenzauber. Aus dem Schnürboden kommen Prospekte herab, die die Stadt in eine riesige Höhle verwandeln. Um Almirena zu entführen, bieten weitere Prospekte einen Blick in die Kuppel. Wenn Armida Almirena entführt, entzieht sie sie ihrem Geliebten Rinaldo mit Hilfe zahlreicher Statistinnen und Statisten, die ihm mit an Stöcken geführten Vögeln die Sinne vernebeln. Argante (Francesca Ascioti) verliebt sich in Almirena (Suzanne Jerosme). Ihre große Arie "Lascia ch'io pianga" singt Almirena dann als Gefangene in einem Vogelkäfig, der im zweiten Akt über die Bühne schwebt und am Ende in den Schnürboden emporgezogen wird. Für den zweiten Akt hat Horstkotte die Bühne in einen Theatersaal verwandelt. Zahlreiche sich bewegende Stuhlreihen bilden das Wogen des Meeres, in dem auch Fische und Delphine auf und ab springen. Auf einem Kahn fährt eine vermummte Frau wie der Fährmann Charon herein, um Rinaldo in ihr Reich zu locken. Armida erscheint auf einem Wolkenwagen hoch oben in der Luft. Besonders eindrucksvoll gelingt die Projektion, in der der Theatersaal zu Almirenas "Lascia ch'io pianga" regelrecht schmilzt. Der Zauber scheint dieser anrührenden Klage nicht standzuhalten. Doch Almirena, deren Partie in der zweiten Fassung noch ausgeweitet worden ist, gibt sich keineswegs nur leidend und duldend. Dafür hat Händel am Ende des zweiten Aktes eine relativ unbekannte Arie der Cleopatra aus Giulio Cesare in Egitto eingefügt, in der Almirena mit stupenden Koloraturen begeistert und relativ selbstbewusst erst in den Orchestergraben hinabsteigt und sich anschließend sogar in den Saal begibt, um mit dem Publikum zu flirten. Den Zauberer Mago inszeniert Horstkotte als eine Art Bühnentechniker. So ist der Zauberstab, den Goffredo zur Rettung seiner Tochter und Rinaldos erhält, ein Taktstock. Letztendlich ist es die Musik, die den Zauber der bösen Mächte besiegt. Da helfen keine Engelsflügel, mit denen sich Goffredo zunächst emporschwebt, um sich mit Armida in ihrem Wolkenwagen in der Luft zu messen. Hier unterliegt er noch, bevor er später durch Einsatz eines leuchtenden Taktstockes seine Tochter und Rinaldo retten kann. An ein glückliches Ende glaubt Horstkotte aber dennoch nicht. Während sich Goffredo am Ende krönt und seine Tochter wieder selbstbewusst in weißem, opulentem Barockkostüm auftritt, ist Rinaldo blutverschmiert von den kriegerischen Auseinandersetzungen gezeichnet und findet nicht wirklich in die Gesellschaft zurück. Almirenas Lobes-Arie ist also nur Show, weil dieser Ritter nicht wirklich in ihre saubere Welt passt. So löst er sich beim Schlusschor von den Kreuzrittern und geht mit dem Zauberer Mago eigene Wege. "Venti turbini": Lawrence Zazzo als Rinaldo Neben diesen sehr spannenden szenischen Ansätzen begeistert auch die musikalische Umsetzung auf ganzer Linie und dürfte auch für die Kennerinnen und Kenner der Oper einiges Neues parat haben. Lawrence Zazzo zeichnet die Titelpartie mit virilem Countenor, der sowohl mit strahlenden Koloraturen glänzt als auch in der Mittellage über enormes Volumen verfügt. Großartige Komik versprüht er, wenn er sich mit gepressten tiefen Tönen dem Zauber Armidas widersetzt, die ihn mit einer körperlichen Starre verzaubert hat. Einen musikalischen Glanzpunkt setzt er am Ende des ersten Aktes vor der Pause, wenn er in der berühmten Arie "Venti turbini" die Koloraturen nur so perlen lässt. Unterstützt wird dies auch optisch durch eindrucksvolle Projektionen und wehende Tücher. Suzanne Jerosme begeistert als Almirena mit leuchtenden Höhen und großer Beweglichkeit in der Stimme. Dabei arbeitet sie die unterschiedlichen Facetten der Partie großartig heraus. Großer Leidensfähigkeit in der berühmten Arie "Lascia ch'io pianga" stellt sie eine gewisse Verträumtheit in ihrer warm und zart angesetzten "Augeletti"-Arie gegenüber, um dann in der "Parolette"-Arie am Ende des zweiten Aktes voller Selbstbewusstsein mit exorbitanten Koloraturen und verführerischem Spiel aufzutrumpfen. Die Partie der Armida ist in der 1731er Fassung dunkler angelegt als gewohnt und wird von Valeria Girardello mit dunkel gefärbtem Mezzosopran hervorragend gemeistert. Ihr intensives Spiel und ihre regelrecht furienhaften Auftritte machen deutlich, dass man sich mit dieser Zauberin besser nicht anlegen sollte. Ungewohnt klingt die Besetzung Argantes mit einer Altistin. Francesca Ascioti punktet mit satten Tiefen und großer Beweglichkeit. Die Partie wirkt mit einem Bass allerdings dennoch nicht nur vertrauter sondern auch passender. Weniger befremdlich wirkt die Besetzung des Goffredo mit einem Tenor. Jorge Navarro Colorado stattet die Partie mit strahlenden Höhen und großer Beweglichkeit aus und verleiht der Figur eine natürliche Autorität, selbst wenn er in der ersten Auseinandersetzung mit Armida in der Luft kläglich scheitert. Lisandro Abadie rundet als leicht verschrobener Zauberer Mago mit dunklem Bassbariton und großer Spielfreude das großartige Ensemble wunderbar ab. Die Deutschen Händel-Solisten zünden aus dem Orchestergraben unter der Leitung von Rinaldo Alessandrini ein regelrechtes Barockfeuerwerk, das dem zauberhaften Charakter des Werkes mehr als gerecht wird. So wird auch in der zweiten Fassung von Händels Oper die "Magie des Theaters" vollends entfacht und mit großem Jubel und frenetischem Beifall belohnt.
Musikalisch gibt es in dieser zweiten Fassung von Händels Rinaldo einiges zu entdecken. Horstkotte entfacht in seiner Inszenierung einen großartigen Bühnenzauber. Weitere Rezensionen zu den Internationalen Händel-Festspielen 2025 Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie, Bühne und Kostüme Licht
Video
Dramaturgie
Deutsche Händel-Solisten Statisterie des Badischen Staatstheaters Solistinnen und SolistenRinaldo Armida
Almirena
Argante Goffredo Mago /
Araldo Una Donna
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E-Mail: oper@omm.de
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