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Kampf um den ThronVon Thomas Molke / Fotos: © Felix GrünschloßMit Händels Siroe, Re di Persia endeten 1728 die erfolgreichen Jahre seiner ersten Opernakademie in London, in denen er seit 1719 mit italienischen Opern und herausragenden Sängerinnen und Sängern nicht nur das Londoner Publikum begeistert hatte, sondern auch eine echte Konkurrenz zu den größten Opernhäusern Italiens, Deutschlands und Frankreichs aufgebaut hatte. Obwohl das Werk im Jahr der Uraufführung mit insgesamt 18 Vorstellungen in Folge durchaus erfolgreich war, gehört es bis heute zu den eher selten gespielten Raritäten in Händels Gesamtwerk. Da die Oper auf drei Sängerpersönlichkeiten Senesino, Francesca Cuzzoni und Faustina Bordoni zugeschnitten war, die Händel nach der Auflösung der Opernakademie nicht mehr zur Verfügung standen, schied für ihn eine erneute Auseinandersetzung mit dem Stück in den Folgejahren aus. Auch die Konkurrenz der englischen "Ballad Opera" fesselte vor allem mit der drei Wochen vor Siroe uraufgeführten Beggar's Opera von John Gay und Johann Christoph Pepusch das Publikum mehr, zumal in der Personenkonstellation des männlichen Protagonisten Macheath und der zwei ihn umgebenden wutschnaubenden Frauen Händels große Stars karikiert wurden. Dass die Geschichte in einer Zeit, in der Fantasy-Serien wie Game of Thrones beim Publikum wieder hoch im Kurs stehen, auch heute das Publikum noch begeistern kann, will der ehemalige Intendant des Badischen Staatstheaters Karlsruhe Ulrich Peters in seiner Inszenierung zeigen, die in diesem Jahr im Rahmen der 47. Internationalen Händel-Festspiele wieder aufgenommen wird. Emira (Sophie Junker) bittet Siroe (Rafał Tomkiewicz), aus Liebe zu ihr seinen Vater zu töten. Das Libretto von Pieto Metastasio, das den Beginn seiner Karriere als italienischer Operndichter markierte, wurde bereits vor Händel innerhalb von zwei Jahren von insgesamt fünf Komponisten in Musik gesetzt und inspirierte auch im Anschluss zahlreiche weitere Komponisten zu einer Vertonung. Die Geschichte spielt zu Beginn des sechsten vorchristlichen Jahrhunderts in Persien und basiert auf einer wahren Begebenheit, wurde von Metastasio allerdings um zahlreiche historisch nicht belegte Intrigen angereichert. Der persische König Chosrau II. (in der Oper Cosroe) lässt seinen erstgeborenen Sohn Shiruya (Siroe) unter dem Vorwand einer angeblichen Verschwörung in den Kerker werfen, und setzt dessen jüngeren Bruder Medarza (Medarse) als Thronfolger ein. Nach vielen militärischen Niederlagen wird Chosrau besiegt. Shiruya wird befreit, zum König gekrönt und übt erbarmungslos Rache, indem er seinen Vater und seinen Bruder hinrichten lässt. So lauten die historischen Fakten. Metastasio fügt nun die Prinzessin Emira ein, deren Vater Asbite in einer blutigen Schlacht von Cosroe um Thron und Land gebracht worden ist. Siroe liebt Emira, weshalb Cosroe Medarse als Thronfolger wählt. Emira sinnt auf Rache und schleicht sich als Mann unter dem Namen Idaspe am persischen Hof ein, um an Cosroe Rache zu nehmen. Dazu versucht sie, Siroe zu instrumentalisieren, der in einen Konflikt zwischen dem Pflichtgefühl seinem Vater gegenüber und seiner Liebe zu Emira gerät. Hinzu kommt, dass Laodice, die Schwester von Siroes Freund Arasse, ebenfalls den jungen Prinzen liebt, und sich aufgrund der Zurückweisung an ihm rächen will. Durch Medarses hinterlistiges Spiel und Laodices falschen Beschuldigungen verliert Siroe immer mehr das Vertrauen seines Vaters und soll schließlich hingerichtet werden. Nach zahlreichen verworrenen Verwicklungen erkennt Cosroe schließlich doch noch die Tugendhaftigkeit Siroes und übergibt ihm die Krone. In einem großen Akt der Güte verzeiht Siroe seinem Bruder und Laodice und bringt sogar Emira von ihren Racheplänen ab. Medarse (Filippo Mineccia, vorne links) strebt mit seinen Anhängern (Statisterie) nach der Macht. Das Intrigenspiel um den Thron hat bei dem Regie-Team um Ulrich Peters Assoziationen an die erfolgreiche Fantasy-Serie Game of Thrones hervorgerufen, so dass die Inszenierung mit zahlreichen Anspielungen auf dieses Epos gespickt ist. Der Thron, den Bühnenbildner Christian Floeren entworfen hat, lässt durchaus eine Nähe zum Thron in King's Landing erkennen, nach dem in der Fantasy-Saga alle streben. Bei den dunklen hohen Wäldern, die auf den Bühnenwänden angedeutet werden, fühlt man sich optisch an den Norden erinnert, in dem die Starks in der Fernsehserie ihre Heimat haben. Auch die im mittelalterlichen Fantasy-Stil gehaltenen Kostüme, für die ebenfalls Floeren verantwortlich zeichnet, lassen eine gewisse Nähe zur Serie erkennen, auch wenn hier nicht einzelne Figuren eins zu eins kopiert werden. Das ist nämlich gar nicht notwendig, weil die Handlung mit ihren zahlreichen Verwicklungen und Intrigen für sich spricht und man somit die Kostümierung und das Bühnenbild auch ohne Parallelen zu Game of Thrones als zur erzählten Geschichte durchaus passend bezeichnen kann, wenn man von einem kleinen Gimmick absieht. In einer Gleichnis-Arie vor der Pause sieht man in einer Videoprojektion einen riesigen Drachen über den Hintergrund fliegen. Das ist zwar unnötig, stört allerdings auch nicht weiter. Siroe (Rafał Tomkiewicz) weist Laodice (Shira Patchornik) zurück. Was die Personenregie betrifft, zeigt Peters, dass er auch in den handlungsarmen Arien etwas zu erzählen hat und die Bravourarien nicht zum bloßen Rampensingen verkommen. Häufig treten die Figuren während einer Arie in Interaktion. Manchmal ist vor Beginn der Arie sogar gar nicht klar, wem die nächste Arie gewidmet wird, weil die Figur zunächst die Bühne verlässt und erst zum ersten Gesangsteil wieder auftritt. So entsteht zu keiner Zeit Stillstand auf der Bühne, und die Spannung der Geschichte kann immer gehalten werden. Die knapp dreistündige Spielzeit vergeht so im Flug und wird mit zahlreichen Aktionen auf der Bühne angereichert. Am Ende gibt es sogar einen eindrucksvollen Schwertkampf zwischen den Figuren, denen allerdings nur ein paar Statisten endgültig zum Opfer fallen. Die anderen stehen allesamt wieder auf, so dass das "Spiel" um den Thron weitergehen kann. So nimmt beispielsweise am Ende, nachdem Siroe und Emira als neues Königspaar die Bühne verlassen haben, Laodice auf dem Thron Platz, um zu zeigen, dass der erzielte Frieden wohl nicht von Dauer sein wird. Kampf um die Macht: auf der linken Seite: Cosroe (Ks. Armin Kolarczyk), Laodice (Shira Patchornik) und Siroe (Rafał Tomkiewicz), in der Mitte: Emira (Sophie Junker), im Hintergrund: Statisterie Sieht man von den Anspielungen auf Game of Thrones ab, hat Floeren auch ansonsten ein bombastisches Bühnenbild entworfen, das den Fluss der Geschichte unterstützt. Besonders hervorzuheben ist hier eine hohe Bühnenwand, die durch Einsatz eines drehbaren Rings auf der Bühne den Blick auf die restliche Bühne freigeben kann. So werden schnelle Szenenwechsel ermöglicht. Die Bühne dahinter lässt sich ebenfalls drehen, so dass auch hier immer wieder andere Bilder entstehen. In der Mitte sieht man die Reste einer hohen Statue, neben der ein riesiger abgeschlagener Kopf liegt. Dabei dürfte es sich wohl um Emiras gestürzten Vater Asbite handeln. Auch mit Feuer wird auf der Bühne nicht gespart. Wenn Medarse am Ende des ersten Teils seinen Plan offenbart, die Herrschaft über Persien an sich zu reißen und seinen Bruder zu stürzen, brennt sogar das Schwert, was ein durchaus visueller Effekt ist. Durch das Zurückdrehen der Bühnenwand vor die eigentliche Bühne entstehen auch blitzschnell weitere Räume wie der Kerker, in dem Siroe gefangen gehalten wird, oder ein weiteres Zimmer mit Stühlen und einem Tisch, in dem Verhandlungen stattfinden. Musikalisch dürfte man in Karlsruhe zunächst einen Schock bekommen haben, als klar war, dass die Sopranistin Sophie Junker zur Wiederaufnahme aus gesundheitlichen Gründen die Partie der Emira nicht singen kann. Da sie aber in der Lage war, die Rolle ohne Gesang zu spielen, musste "nur" ein Ersatz für den Gesang her. Da konnte man die schwedische Mezzosopranistin Annastina Malm verpflichten, die ebenfalls mit der Partie vertraut ist, wobei sie innerhalb von zwei Tagen noch drei zusätzliche Arien und einige neue bzw. umgestellte Rezitative lernen musste. Bei der Aufführung ist sie im Orchestergraben in der Mitte neben dem Cembalo positioniert, so dass, je nachdem wo Junker auf der Bühne steht, der Klang häufig aus der gleichen Richtung kommt. Durch das intensive Spiel Junkers wird aber auch in den Szenen, in denen Junker auf der rechten oder linken Bühnenseite agiert, deutlich, wenn Emirena in den Rezitativen spricht, so dass die Trennung nahezu nicht auffällt. Malm verfügt über ein warmes Timbre und begeistert in der Partie der Emira mit beweglicher Stimmführung und herrlichen Bögen. Auch die übrige musikalische Umsetzung bewegt sich auf hohem Niveau und lässt keinerlei Wünsche offen. Rafał Tomkiewicz stattet die Titelpartie mit weichem Countertenor aus, der die Milde der Figur erkennen lässt. Intensiv gestaltet er die innere Zerrissenheit, wenn er weder die Geliebte verraten noch den Vater opfern will, und zeigt sich zu dramatischen Ausbrüchen fähig, wenn er in der Kerkerszene den eigenen Tod als einzigen Ausweg sieht. Filippo Mineccia legt seinen jüngeren Bruder Medarse sehr hinterlistig an und punktet mit scharf angesetzten Spitzentönen, die sein Verlangen nach der Herrschaft hervorheben. Ks. Armin Kolarczyk stattet den König Cosroe mit profundem und autoritärem Bass aus, zeigt allerdings in seiner großen Schlussarie "Gelido in ogni vena" mit intensivem Spiel, dass er seine Fehler eingesehen hat und zu einem Wandel in der Lage ist. Shira Patchornik gestaltet die Partie der ungeliebten Laodice mit strahlendem Sopran und leuchtenden Höhen, bei denen sie die Koloraturen nur so perlen lässt. Im Gegensatz zu Emira, die sich als Mann verkleidet hat, verfolgt sie ihre Ziele durch bewussten Einsatz weiblicher Reize. Konstantin Ingenpass rundet das Ensemble in der kleinen Partie des Arasse mit kraftvollem Bariton ab. Attilio Cremonesi und die Deutschen Händel-Solisten begeistern mit präzisem Spiel und schillernden Farben auf ganzer Linie und machen deutlich, dass dieses Werk zu Unrecht so selten auf dem Spielplan steht. So gibt es für alle Beteiligten großen und verdienten Jubel.
Auch bei der Wiederaufnahme geht das Konzept von Ulrich Peters auf. Dieses Werk möchte man gern häufiger auf den Spielplänen sehen. Weitere Rezensionen zu den Internationalen Händel-Festspielen 2025 Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Bühne und Kostüme Kampfchoreographie Licht
Dramaturgie
Deutsche Händel-Solisten Statisterie des Badischen Staatstheaters Solistinnen und Solisten*rezensierte Aufführung Siroe
Emira Laodice Medarse Cosroe Arasse
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E-Mail: oper@omm.de
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