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Rossini Opera Festival

Pesaro
09.08.2021 - 22.08.2021


Moïse et Pharaon

Oper in vier Akten
Libretto von Luigi Balochi und Étienne de Jouy
Musik von Gioachino Rossini

In französischer Sprache mit italienischen, französischen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 4 h 5' (zwei Pausen)

Vor-Premiere in der Vitifrigo Arena in Pesaro am 6. August 2021


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Rossini Opera Festival

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Biblischer Stoff in klassischer Inszenierung

Von Thomas Molke / Fotos: © Studio Amati Bacciardi (Rossini Opera Festival)

Als der französische Komponist Ferdinand Hérold 1821 nach Italien reiste, um für das Théâtre-Italien in Paris neue Sängerinnen und Sänger zu akquirieren, war es eine Aufführung von Rossinis Mosè in Egitto in Florenz, die den jungen Franzosen derart begeisterte, dass er Rossini in Neapel aufsuchte und einlud, seine Karriere in Paris mit französischen Opern fortzusetzen. Bevor es allerdings zu einer in diesem Zusammenhang geplanten Umarbeitung des biblischen Stoffes kam, wandelte Rossini zunächst die ernste Oper Maometto II. in Paris zu Le siège de Corinthe um und konnte damit so große Erfolge feiern, dass die französische Version sogar ins Italienische übertragen wurde und dort unter dem Titel L'assedio di Corinto gespielt wurde. Erst 1827 kam dann Moïse et Pharaon, die häufig noch den Zusatz Le passage de la Mer Rouge trägt, an der Pariser Oper zur Uraufführung und degradierte die italienische Urfassung Mosè in Egitto für viele Zeitgenossen zu einer Art "Vorstufe", so dass die vieraktige französische Fassung später in Italien auch unter dem Titel Mosè e Faraone zu erleben war. Nachdem man beim Rossini Opera Festival 2011 die italienische Urfassung Mosè in Egitto zur Aufführung gebracht hat (siehe auch unsere Rezension), wollte man eigentlich, wie bei der Entstehung der beiden Werke, neun Jahre später die französische Version Moïse et Pharaon präsentieren. Doch die Corona-Pandemie hat dieser Planung einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nun folgt der französische Moïse dem italienischen Mosè zehn Jahre später.

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Moïse (Roberto Tagliavini, vorne rechts) bittet Gott um Unterstützung für die Hebräer (Chor mit Anaï (Eleonora Buratto)).

Obwohl Rossini einen Großteil der Musik aus Mosè in Egitto übernommen und nur drei musikalische Nummern komplett neu komponiert hat, ist die italienische Vorlage kaum wiederzuerkennen, da die einzelnen Stücke nicht nur völlig neu angeordnet, sondern teilweise auch anderen Figuren zugeteilt werden. Die Musik der Trauerarie der Hebräerin Elcia (Anaï), in der sie in der italienischen Fassung den Tod ihres heimlichen Gatten Osiride (Aménophis) im zweiten Akt beklagt, wird in Moïse et Pharaon auf die Pharaonengattin Sinaïde übertragen. Sie versucht darin, ihrem Sohn, der in der französischen Fassung nicht durch eine Blitzschlag im zweiten Akt stirbt, sondern erst am Ende der Oper mit den Ägyptern in den Fluten des Roten Meeres untergeht, Trost zu spenden, da er die armenische Prinzessin heiraten soll und auf Anaï, die im Gegensatz zur italienischen Fassung "nur" seine heimliche Geliebte ist, verzichten muss. Auch der Handlungsablauf wird bis zum Auszug der Israeliten aus Ägypten mit der Teilung des Roten Meers und der anschließenden Überflutung der Ägypter komplett umgestellt. Die Finsternis, mit der Mosè in Egitto beginnt, steht in der französischen Fassung erst am Beginn des zweiten Aktes und ist eine Konsequenz dafür, dass der Pharao Moïse und seinem Volk unter Einfluss seines Sohns Aménophis erneut den Auszug verweigert. Der Pharaonensohn wird in der französischen Fassung auch wesentlich rachsüchtiger und egoistischer gezeichnet. Die Gattin des Pharaos Sinaïde empfindet zwar Sympathie für Moïse und sein Volk, begleitet aber nicht wie Amaltea in der italienischen Fassung die Hebräer beim Auszug aus Ägypten. Neu sind die Balletteinlagen im dritten Akt, die den Gepflogenheiten der Pariser Oper geschuldet waren. Darin feiern die Ägypter vor dem Isis-Tempel ihre höchste Göttin. Erst als Moïse die Isis-Statue beim Fest zum Einsturz bringt, da der Hohepriester, der in der französischen Fassung Osiride (wie der Pharaonensohn in der italienischen Fassung) heißt, verlangt, dass Moïse und sein Volk die Göttin anbeten, ist der Pharao bereit, die Hebräer ziehen zu lassen, legt ihnen dazu allerdings Ketten an. Beim berühmten Gebet im vierten Akt lösen sich diese Ketten jedoch, bevor sich das Rote Meer teilt. Im Anschluss an den Marsch der Hebräer durch das Rote Meer hat Rossini noch eine Cantique, einen Dankeschor der Hebräer, komponiert, der nur im Klavierauszug enthalten ist. Die Partitur weist auf, dass diese Nummer zurückgezogen worden sei. Ob sie bei der Uraufführung noch gespielt worden ist, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. In Pesaro wird diese Schlussmusik - anders als in Bad Wildbad vor drei Jahren - gespielt.

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Osiride (Nicolò Donini, vorne rechts) und Pharaon (Erwin Schrott, hinten rechts) verlangen von Moïse (Roberto Tagliavini, Mitte), dass er die Göttin Isis anbetet (auf der linken Seite: Sinaïde (Vasilisa Berzhanskaya) und Aménophis (Andrew Owens), in der Mitte daneben von links: Marie (Monica Bacelli), Anaï (Eleonora Buratto) und Éliézier (Alexey Tatarintsev)).

Regisseur Pier Luigi Pizzi wird in Pesaro seit vielen Jahrzehnten für seine in der Regel eher konventionell gehaltenen Inszenierungen geliebt. Erinnert sei an dieser Stelle an La pietra del paragone 2017 und Il barbiere di Siviglia 2018, die in den letzten Jahren sicherlich zu Höhepunkten des Festivals zählten. Auch bei Moïse et Pharaon verzichtet er auf eine moderne Übertragung der Handlung und belässt die Geschichte in der Zeit, ohne sich dabei in triefendem Kitsch zu ergehen. Die Kostüme bestechen eher durch durchdachte Farbgebung als durch große Opulenz. So tragen die männlichen Ägypter lange Gewänder in sattem Blau. Die Ägypterinnen sind durch ähnliche Kostüme in Lila gekennzeichnet. Dagegen wirken die Hebräer in ihren blassen weißgrauen Gewändern wie das arme Volk, das in Ägypten in Knechtschaft gehalten wird. Für die diversen Wunder kommen relativ abstrakte Videoprojektionen von Matteo Letizi zum Einsatz. So ist der Isis-Tempel eine weiße große Pyramide, die Moïse mit der Anrufung Gottes zum Einsturz bringt. Wenn Moïse im ersten Akt die Gesetzestafeln erhält, sieht man einen weißen Bogen, der wie eine Brücke aus dem Himmel auf die Erde hinabzuführen scheint. Am Ende des ersten Aktes sieht man dann Feuerfontänen, die als glühende Lava die Ebene von Memphis und die ägyptischen Soldaten unter sich zu begraben scheinen. Sehr eindrucksvoll gelingt die Teilung des Roten Meers im vierten Akt. Im Hintergrund sieht man schon von Beginn an das ruhig fließende Meer, das dann von Moïse nach dem Gebet geteilt wird. Die Hebräer verlassen die Bühne, die im Hintergrund herabführt, und scheinen so durch das geteilte Meer zu laufen. Wenn dann die Ägypter auftreten, um ihnen nachzujagen, schlagen hohe Wellen in der Projektion zusammen. Der Pharao und sein Sohn steigen ebenfalls die Bühne herab und versinken sofort in diesen Wellen, während die ägyptischen Soldaten noch lange Widerstand leisten, bevor sie dem Kampf mit dem Meer schließlich auch unterliegen.

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Ballett im dritten Akt mit Maria Celeste Losa und Gioacchino Starace in der Mitte

Da man in Pesaro gewöhnlich keine Striche in der Partitur macht, wird auch das Ballett im dritten Akt nicht ausgelassen. In insgesamt drei Tanzszenen feiern die Ägypter ihre Göttin Isis. Die Tänzer tragen dabei das gleiche Blau wie die übrigen Ägypter. Die Choreographie von Gheorghe Iancu wechselt zwischen klassischen und leicht abstrakten Elementen, wobei sich der Inhalt nicht wirklich erschließt. Wahrscheinlich sollen die primi ballerini Maria Celeste Losa und Gioacchino Starace die Gottheiten Isis und Osiris darstellen, die eine Art Fruchtbarkeitstanz vollziehen. Am Ende bringt die Tänzerin jedenfalls ein Kind zur Welt. Dieses Kind ist in ein weißes Gewand gekleidet und erinnert an den hebräischen Jungen, der zu Beginn des ersten Aktes vor den ägyptischen Soldaten flieht und schließlich bei Moïse Schutz findet und am Ende, nachdem die Hebräer das Rote Meer durchquert haben und ihrem Gott mit der Cantique gedankt haben, aus dem Hintergrund wieder auftaucht und wie ein Heilsbringer von Moïse zum Schlussbild emporgehoben wird. Soll damit bereits beim Isis-Fest die Überlegenheit der Hebräer angedeutet werden? Eine Kürzung der Ballettszenen hätte jedenfalls dem Genuss des Abends keinen Abbruch getan, zumal man dann auch vielleicht mit einer Pause ausgekommen wäre.

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Pharaon (Erwin Schrott) und Sinaïde (Vasilisa Berzhanskaya) werden durch die göttlichen Zeichen beunruhigt.

Ansonsten möchte man bei dieser wunderbaren Musik auf keine weitere Note verzichten, zumal man in Pesaro bei dieser Produktion über ein hervorragendes Ensemble verfügt, das keine Wünsche offen lässt. Da ist zunächst Roberto Tagliavini zu nennen, der als Moïse mit fulminantem Bass und markanten Tiefen die Autorität dieser Figur unterstreicht. Da wirkt es absolut glaubhaft, dass er mit seiner sonoren Stimme die Projektionen auf der Rückwand auslöst. Das berühmte Gebet im vierten Akt, "Des cieux où tu résides" setzt er mit großem Pathos und voller Überzeugungskraft an. Der Coro del Teatro Ventidio Basso unter der Leitung von Giovanni Farina stimmt stimmgewaltig mit ein und lässt auch ansonsten mit homogenem Klang den Abend zu einem Fest der Chorpassagen werden. Da stört es auch nicht, dass er in der Masse wenig Bewegungsspielraum hat und häufig in großen Bildern erstarrt. Erwin Schrott legt den Gegenspieler Pharaon mit dunklen und kräftigen Tiefen an und bringt mit großen Gesten und teils selbstverliebtem Spiel die Arroganz des ägyptischen Herrschers glaubhaft zum Ausdruck. Andrew Owens leistet in der anspruchsvollen Tenorpartie des Aménophis Außerordentliches und setzt auch die extremen Höhen sauber und ohne Forcieren an. Eleonora Buratto ist eine stimmgewaltige Anaï, deren dramatische Ausbrüche mit stupenden Höhen unter die Haut gehen. Gemeinsam bewegt sie mit Owens in ihrem Duett im vierten Akt, wenn Anaï sich schließlich schweren Herzens gegen ihren Geliebten entscheidet. Auch ihr Duett im ersten Akt mit Owens, wenn Aménophis die Geliebte bittet, bei ihm zu bleiben, bewegt genauso wie das folgende Duett mit ihrer Mutter Marie (Monica Bacelli), in der die beiden Frauen den Beistand ihres Gottes erflehen.

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Verbotene Liebe: Anaï (Eleonora Buratto) und Aménophis (Andrew Owens)

Als weiterer musikalischer Höhepunkt darf das Finale des dritten Aktes bezeichnet werden, in dem das große Quartett aus dem italienischen Mosè in Egitto, "Mi manca la voce", erklingt. Gemeinsam mit Vasilisa Berzhanskaya als Sinaïde und Alexey Tatarintsev als Éliézer leiten Buratto und Owens hier bewegend das große Finale des dritten Aktes ein. Berzhanskaya begeistert als Gattin des Pharaos mit stupenden Höhen und großer Strahlkraft. Besonders hervorzuheben ist ihre große Arie am Ende des zweiten Aktes, "Ah! d'une tendre mère", in der sie darauf vertraut, dass mit der geplanten Hochzeit ihres Sohnes mit einer armenischen Prinzessin alles noch ein gutes Ende nehmen wird. Das Publikum ist nach ihrer Interpretation derart begeistert, dass der Jubel und Applaus gar nicht abnehmen wollen und Berzhanskaya eine gefühlte Ewigkeit mit Owens als ihrem Sohn in der Umarmung verharren muss. Tatarintsev gestaltet die Partie von Moïses Bruder Éliézer (in der italienischen Fassung Aronne) mit geschmeidiger Stimmführung, die auch in den Höhen nicht angestrengt klingt. In den kleineren Rollen überzeugen Monica Bacelli als Moïses Schwester und Anaïs Mutter Marie mit sattem Mezzosopran, Nicolò Donini als Oberpriester Osiride und Voix mystérieuse mit kräftigem Bariton und Matteo Roma als Aufide mit klarem Tenor. Die musikalische Leitung des Orchestra Sinfonica Nazionale della Rai liegt in den Händen von Giacomo Sagripanti, der viel Gespür für eine gute Balance zwischen Orchester und den Solisten beweist. So gibt es am Ende verdienten Beifall für alle Beteiligten, in den sich auch das Regie-Team einreiht.

FAZIT

Pier Luigi Pizzi beweist erneut, dass man auch ohne modernes Regietheater einen packenden Opernabend gestalten kann, der mit kleinen Längen bei den Balletteinlagen auch über vier Stunden trägt. Musikalisch bietet der Abend puren Rossini-Genuss.

Weitere Rezensionen zu dem Rossini Opera Festival 2021



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Giacomo Sagripanti

Regie, Bühnenbild und Kostüme
Pier Luigi Pizzi

Mitarbeit Bühnenbild und Kostüme
Massimo Gasparon

Choreographie
Gheorghe Iancu

Videodesign
Matteo Letizi

Chorleitung
Giovanni Farina



Coro del Teatro Ventidio Basso

Orchestra Sinfonica Nazionale della Rai


Solisten

Moïse
Roberto Tagliavini

Pharaon
Erwin Schrott

Aménophis
Andrew Owens

Éliézer
Alexey Tatarintsev

Osiride / Voix mystérieuse
Nicolò Donini

Aufide
Matteo Roma

Sinaïde
Vasilisa Berzhanskaya

Anaï
Eleonora Buratto

Marie
Monica Bacelli

Primi ballerini
Maria Celeste Losa
Gioacchino Starace

Ballerini solisti
Frank Lloyd Aduca
Davide Bastioni
Samuele Berbenni
Emanuele Chiesa

 


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