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Besser nicht regieren als lustlos regieren
Von Stefan Schmöe / Fotos von Jochen Quast
Herrjeh, was soll einem denn zu La Cenerentola noch Neues einfallen? So könnte ein Stoßseufzer unter Regisseurinnen und Regisseuren lauten. Zu verdenken wäre es ihnen nicht, denn landauf, landab wird die Oper gespielt, so zuletzt etwa in Essen und Hagen. Auf der Suche nach Originalität verlegt Christopher Cowell die Geschichte ins späte victorianische England. Da nämlich, das legt das Programmheft nahe, wird besonders schön um einen verstorbenen Monarchen getrauert, und das ist ja letztendlich der Auslöser des Geschehens. Hat doch Prinz Ramiro seinem sterbenden Vater versprochen, im Dienste des Volkes alsbald zu heiraten. Besondere Konsequenzen für die Inszenierung lassen sich allerdings nicht erkennen. Mitnichten käme man auf die Idee, die überdrehte Märchenhandlung um das Aschenputtel, im Italienischen die "Cenerentola", hätte auch nur entfernt mit dem Buckingham Palace und der früh verwitweten Queen Victoria zu tun. Aber vielleicht muss man dem in London geborenen Regisseur einfach zugestehen, die Story mit britischem Humor erzählen zu dürfen. ![]() Der freilich ist weder mit feiner Ironie gezeichnet noch in der Art von Monty Python absurd überdreht, sondern von angestrengter Heiterkeit mit gelegentlichem Abdriften in den Klamauk. Was zum Beispiel passiert, wenn in einem Schwank wie diesem eine (hier sind's sogar drei) Torte serviert wird? Genau. Rossinis Musikdramaturgie, die ja neben dem Witz auch ihre melancholischen Momente hat (die Bezeichnung melodramma giocoso deutet das bereits an), hält das aus. Eine wirklich schöne Pointe bewahrt sich die Inszenierung für den Schluss auf, und weil sie in der Inhaltsangabe schon ausgeplaudert wird, soll sie auch hier erwähnt werden: Kaum hat Ramiro seine Angelina für sich gewonnen, wartet keineswegs eine rauschende Feier oder gar die romantische Hochzeitsnacht auf ihn, sondern ein Schreibtisch voller Akten. Da laufen die beiden doch lieber davon und werfen ihre Kronen in das große Tuchfärbebecken, das auf der Drehbühne dauerhaft im Weg steht (Ausstattung: Bridget Kimak). Regenten haben es eben nicht leicht. ![]() Clorinde und Tisbe buhlen um den hochdekorierten Herrn, den sie für den Prinzen halten, der aber in Wahrheit dessen Diener Dandini ist (im Bild: Andreas Jören). Mit dem vermeintlichen Diener rechts dagegen, in Wahrheit der Prinz, wollen sie auf gar keinen Fall etwas zu tun haben. Zusammengehalten wird die Aufführung, die sich leicht in banalem Unsinn verlieren könnte, durch Rina Hirayama in der Titelpartie. Mag es um sie herum noch so turbulent zugehen, sie legt die Angelina mit heiligem Ernst an. Bis zur Unterwürfigkeit demütig, aber in ihrem schlichten grauen Hemd, die Ärmel aufgerollt, und mit einem gar nicht so schlichten Rock sehr hübsch anzusehen, mag das ziemlich klischeehaft das Bild vom herzensguten Mädchen im Geiste des 19. Jahrhunderts nachzeichnen - aber die zierliche Sängerin besitzt die Bühnenpräsenz, um die Figur groß werden zu lassen. Ihr Verzicht auf Bestrafung der bis zuletzt uneinsichtigen bösen Stieffamilie hat etwas Anrührendes. Und wenn sie im eleganten schwarzen Trauerkleid unerkannt auf dem Ball des Prinzen auftaucht, findet die Regie ein passendes Bild für die latente Wehmut des Stücks. Ihr Sopran ist in der tiefen Lage (die ein wenig mehr Fülle vertragen könnte) samtig weich, in der Höhe strahlend. Rossinis Koloraturen bewältigt sie mit Bravour. ![]() Das gilt auch für die anderen Sängerinnen und Sänger. Der junge chinesische Tenor Anle Gou singt mit leichtem und hellem, in den Spitzentönen etwas knalligem Tenor den Prinzen Ramiro. Angelinas Stiefschwestern Tisbe und Clorinde sind in der hier besprochenen Aufführung mit Franziska Pfalzgraf Christin Stanowsky - beide aus dem Opernstudio des Landestheaters Detmold - besetzt, und sie machen ihre Sache außerordentlich gut. Sie geben den beiden zickigen Damen bei aller Ähnlichkeit im schlechten Benehmen ein schönes Maß an Individualität, auch im Timbre, mit. Ebenfalls aus dem Opernstudio kommt Hojin Chung, der mit Würde den Philosophen Alidoro gestaltet. So zeichnet sich das Theater durch Nachwuchspflege auf sehr hohem Niveau aus. Ricardo Llamas Márquez gibt einen komödiantischen Stiefvater Don Magnifico, Samuel Chan einen soliden Kammerdiener Dandini (der lange Zeit mit dem Prinzen die Rollen tauscht). ![]() Da sind Angelina und Ramiro nun vereint und gekrönt. Das erhoffte Glück sieht allerdings anders aus. Unter der umsichtigen Leitung von Chefdirigent Per-Otto Johansson spielt das Symphonische Orchester des Landestheaters mit dem nötigen Esprit wie mit der erforderlichen Präzision. Die Herren des Chores singen nicht nur sehr schön, sondern markieren bei Bedarf auch Pferde und sogar Sonnenblumen (die dann auch gegossen werden müssen). Beim engagierten und spielfreudigen Detmolder Ensemble ist die Komödie einiger Untiefen zum Trotz gut aufgehoben.
Eine unterhaltsame Cenerentola, szenisch mit Hang zur Albernheit, musikalisch von einem jungen Ensemble sehr überzeugend dargeboten. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne und Kostüme
Licht
Choreinstudierung
Dramaturgie
Solisten* Besetzung der rezensierten Aufführung
Ramiro
Dandini
Don Magnifico
Tisbe
Clorinde
Angelina
Alidoro
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