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Feuerwerk aus Musik und Tanz Von Thomas Molke / Foto: © Leszek Januszewski
Die Ballettsparte in Dortmund steht vor einem Neuanfang. Nach über 20 sehr erfolgreichen Jahren hat Xin Peng Wang Dortmund verlassen, nachdem er in den vergangenen beiden Jahrzehnten ein regelrechtes "Ballettwunder" vollbracht hat. In kürzester Zeit machte er die Compagnie auch überregional bekannt und legte den Grundstein dafür, dass das Ballett Dortmund einen Platz in der internationalen Tanzszene einnimmt. Außerdem erweiterte er das Ensemble um das NRW Juniorballett, das seitdem im In- und Ausland große Erfolge verbuchen kann. Dr. Jaš Otrin, der neue Intendant des Balletts Dortmund und des NRW Juniorballetts tritt folglich ein schweres Erbe an, zumal er selbst nicht als Choreograph tätig ist. Um der Compagnie in den nächsten Jahren eine Konsistenz zu geben, hat er mit Annebelle Lopez Ochoa und Edward Clug als Artists in Residence eine Choreographin und einen Choreographen mitgebracht, deren erfolgreichen Weg er bereits seit einigen Jahren begleitet und die in den folgenden fünf Jahren den Weg der Ballettsparte entscheidend mitprägen sollen. Für den Anfang verspricht er ein "Feuerwerk aus Musik und Tanz" und hat mit Carl Orffs Carmina Burana ein Werk ausgewählt, bei dem auf hervorragende Weise Tanz, große Chöre und Orchester miteinander verbunden werden. Damit werde, so Otrin, die Zusammengehörigkeit der einzelnen Sparten unterstrichen. Die Choreographie von Edward Clug ist allerdings nicht für die Compagnie in Dortmund entstanden. 2019 hat Clug sie für das Ensemble in Montreal kreiert. Nach einer weiteren Produktion in Maribor feiert sie nun in Dortmund zumindest ihre Deutschland-Premiere. Clug ist als Choreograph in Dortmund kein Unbekannter. Zuletzt feierte er 2023 mit seinem Handlungsballett Peer Gynt hier große Erfolge (siehe auch unsere Rezension). Mit Carmina Burana hat er sich nun mit einem Stück auseinandergesetzt, das nicht nur seit der Uraufführung 1937 zu den beliebtesten Werken der Chormusik zählt, sondern auch immer wieder Choreographen inspiriert hat, die Komposition in Tanz umzusetzen. In der vergangenen Spielzeit hat beispielsweise Giuseppe Spota mit der MiR Dance Company in Gelsenkirchen Orffs "magische Bilder" in ein abstraktes Gewand übersetzt (siehe auch unsere Rezension). Das Werk hat im eigentlichen Sinn keine durchgängige Handlung, sondern setzt sich aus insgesamt 24 Liedern zusammen, die Orff aus einer Sammlung von Vaganten- und Scholarenliedern aus dem 12. und 13. Jahrhundert auswählte, auf die man 1803 in der Bibliothek des Klosters Benediktbeuern gestoßen war. Johann Andreas Schmeller hatte sie im Bestand einer Münchner Hofbibliothek unter dem Titel Codex Buranus gefunden und 1847 neu herausgegeben. Orff selbst gliederte seine Komposition in drei Teile, wobei der erste Teil das Erwachen des Frühlings und die aufkeimende Liebe beschreibt, der zweite Teil ein opulentes Gelage in einer Taverne skizziert und der dritte Teil das Liebeswerben wieder aufnimmt. Eingerahmt wird das Werk von dem berühmten Chor "O Fortuna", der Anrufung der Schicksalsgöttin, was dem Werk einen zyklischen Charakter verleiht. Tänzerinnen des Balletts Dortmund und des NRW Juniorballetts Clug wählt für seine Choreographie einen abstrakten Weg und versucht, nicht zu wiederholen, was Text und Musik schon ausreichend bildhaft ausdrücken. Der Opernchor, der um einen Projekt-Extrachor erweitert ist, nimmt auf den Seitenrängen im Saal Platz, so dass die Bühne ganz den 30 Tänzerinnen und Tänzern gehört. Der Bariton (Mandla Mndebele) und die Sopranistin (Sooyeon Lee) singen ihre Passagen von den Seitenbühnen mit Textband ein. Nur der Tenor (Zicong Han) wird "als Schwan" Teil der Choreographie. Marko Japelj hat als Bühnenbild einen riesigen 500 kg schweren Ring entworfen, der zunächst als Schicksalsrad über der Bühne hängt, im weiteren Verlauf verschiedene Positionen einnimmt, was das Lichtdesign von Tomaž Premzl beeinflusst. Später wird dieser Ring auch auf den Bühnenboden herabgelassen und rahmt die Tänzerinnen und Tänzer in einem großen Kreis ein. Die Kostüme von Leo Kulaš sind relativ abstrakt in Schwarz- und Rottönen gehalten, wobei die Farben sich interessant abwechseln. Während die Tänzerinnen rote Hosen und ein schwarzes Oberteil tragen, ist bei den Tänzern die Kombination genau andersherum gewählt und bildet optisch einen Kontrast. Im Verlauf des Stückes legen die Tänzerinnen und Tänzer zunächst die Oberteile ab. Später ziehen sie auch die Hosen aus und treten in hautfarbenen engen Ballettanzügen auf. Nachdem sie im dritten Teil alle wieder Oberteile tragen, die wie Kleider wirken, haben sie beim abschließenden "O Fortuna" auch diese wieder abgelegt und somit im zyklischen Kreislauf auch optisch einen Wandel vollzogen. Im Rad der Fortuna: Ensemble Der Abend beginnt im Gegensatz zu Orffs Komposition sehr leise. Wenn der Vorhang sich öffnet, bilden die Tänzerinnen und Tänzer einen großen Kreis, der in den Abmessungen dem über ihnen schwebenden Rad entspricht. In abstrakten Bewegungen nehmen die Tänzerinnen und Tänzer nun unterschiedliche Formationen ein, legen sich auf den Boden stehen wieder auf, formen zwei Reihen, die sich geschmeidig wellenartig bewegen und kehren zurück in einen engen Kreis, in dem jeder Halt beim Vordermann oder der Vorderfrau sucht. Erst dann setzt die Musik ein und führt im Raum zu einer regelrechten Explosion. Aus den Rängen erschallt mit enormer Lautstärke das berühmte "O Fortuna" und drückt das Publikum regelrecht in die Sitze. Die Abstimmung zwischen dem von Fabio Mancini einstudierten Chor und dem Dirigenten Jordan de Souza, der den Chor im Rücken hat, funktioniert auf den Punkt genau. Clug gelingt es, die berühmte Chornummer in moderne, abstrakte Bewegungen zu übertragen. Im "Fortune plango vulnera", das auf die berühmte Chorpassage folgt, zeigen der Opernchor und der Projekt-Extrachor, dass sie auch die leiseren und zarten Töne der Komposition umsetzen können. Zarte Liebesbande werden geknüpft (Giuditta Vitiello und Keigo Muto) Während im ersten Teil die zarten Liebesbande, die geknüpft werden, von den Tänzerinnen und Tänzern mit dem Ablegen eines Teils des Kostüms und in zwei Duetten und einem Quartett deutlich werden, wird im zweiten Teil, "In taberna", auf den humorvollen Versuch des Schwans, dem Kochtopf zu entkommen, verzichtet, auch wenn der Tenor Zicong Han Teil der Choreographie wird. Schwarz gekleidet tritt er inmitten der Tänzerinnen und Tänzer auf, die ihn an den Armen greifen und mit ihren fließenden Bewegungen fast wie Flügel wirken, mit denen der Schwan über einen See zu fliegen scheint. Stimmlich verfügt Han über einen hellen Tenor, der in den gequälten Höhen in ein relativ sauberes Falsett wechselt. Mandla Mndebele vollzieht diesen Wechsel nicht ganz so elegant und kann mit seinem Bariton nur in den tieferen Passagen überzeugen. Sooyeon Lee stattet die Sopranpartie mit klaren Höhen aus. Die Dortmunder Philharmoniker zaubern unter der Leitung ihres neuen Generalmusikdirektors Jordan de Souza einen frischen und zupackenden Klang aus dem Graben, der keinerlei Wünsche offen lässt. Die Tänzerinnen und Tänzer des Balletts Dortmund und des NRW Juniorballetts begeistern durch einen homogenen Gesamteindruck und setzen in einer modernen Körpersprache Orffs gewaltige Musik ausdrucksstark in Bewegungen um. Auch das Solopaar (Sae Tamura und Simon Jones) begeistert durch große Präzision. Während sie im ersten Teil bei "Omnia sol temperat" erstmals zueinander finden, haben sie beim abschließenden "O Fortuna" am Ende nicht nur optisch einen Wandel vollzogen. Sie sind auch aus dem Kreis herausgetreten, den die anderen Tänzerinnen und Tänzer formen. Mit dem Schicksalsrad entschwinden die beiden vorher in schwindelerregende Höhen, so dass man schon ein bisschen unruhig wird, weil die beiden auf dem Rad, das in die Höhe gezogen wird, nicht gesichert sind. Das Publikum feiert die Produktion mit frenetischem Beifall. FAZITDer Einstand des neuen Ballettintendanten darf als durchaus gelungen bezeichnet werden. Mit dem Choreographen Edward Clug, der in Dortmund schon für seine Choreographien unter Xin Peng Wang gefeiert worden ist, und Carl Orffs monumentalem Werk ist Jaš Otrin das versprochene "Feuerwerk aus Musik und Tanz" geglückt. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Konzept und Choreographie
Bühne
Kostüme
Lichtdesign
Choreographische Assistenz
Choreinstudierung
Dortmunder Philharmoniker Opernchor Theater Dortmund Projekt-Extrachor
Solistinnen und Solisten *Premierenbesetzung
Bariton
Sopran
Tenor Tänzerinnen und Tänzer
Solopaar Ekaterine Surmava *Simon Jones / Javier Cacheiro Alemán
1. Duett
2. Duett
Quartett
Chramer, gip die varwe
mir
Estuans interius
Ego sum abbas
Amor volat undique
Dies, nox et omnia
Stetit puella
In trutina
Ballett Dortmund
NRW Juniorballett
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