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Diktatorendämmerung
Von Stefan Schmöe /
Fotos von Matthias Jung
Aller guten Dinge sind offenbar auch hier drei: Nach den Opernhäusern in Düsseldorf und Köln bringt binnen Jahresfrist jetzt auch die Oper Bonn als drittes Theater am Niederrhein den Nabucco, auf die Bühne. Wobei Bonn sich in den vergangenen Jahren ohnehin um die frühen und mittleren Opern Verdis verdient gemacht hat. Wieder steht Will Humburg am Pult des Beethoven Orchesters, und wenn jetzt einmal mehr der Satz fällt, das Orchester sei über sich hinausgewachsen (so zu lesen auch schon in unserer Rezension von La forza del destino), so beschreibt das eine offenbar glückliche Konstellation zwischen den Musikern und dem Dirigenten. Der satte Klang, die Präzision bei den Einsätzen, die Ausgestaltung der Details - das alles kennzeichnet eine glutvolle und dramatische Verdi-Interpretation, die sich nicht im grellen Effekt verliert. Nichts klingt plakativ. Humburg baut die Spannung in großen Bögen auf, und wenn der junge Verdi zum gefürchteten kirmeshaften Dreiertakt ansetzt, bekommt die Musik in dieser Interpretation einen fast zynischen Beiklang. Es sind eben Katastrophenwalzer, die den Krieg auf der Bühne begleiten.
Auf dieser Bühne steht ein ganz ausgezeichnetes Ensemble. Der georgische Bariton Aluda Todua gibt den Nabucco zwischen strahlendem Herrscher und gebrochenem Wahnsinnigen mit vielen Zwischentönen, in der Anlage eher melancholisch als auftrumpfend, aber auch mit der erforderlichen vokalen Durchsetzungsfähigkeit. Die braucht er auch, um gegen Zaccharia, den Hohepriester der Hebräer, zu bestehen, den Derrick Ballard als vokales Kraftpaket mit strahlenden Spitzentönen anlegt, dabei aber immer kultiviert singt. Erika Grimaldi in der Partie der Abigaille ist eine Wucht; mit schlankem, nicht scharfem, immer schön geführtem Sopran gestaltet sie die schwierige Partie mit hoher Energie und außerordentlicher Präsenz. Szenisch gibt sie die böse Prinzessin mit katzenhafter Geschmeidigkeit. Da ringen drei vokal großformatige Gestalten um Macht und Herrschaft. Christopher Jähnig singt einen markanten Hohepriester des Baal von großer Entschiedenheit. Dem gegenüber stehen der lyrische, nicht zu leichte Tenor von Ioan Hotea in der Partie des Ismaele und der warm leuchtende Sopran von Charlotte Quadt als Fenena. Diese beiden, die in ihrer Liebe zueinander die Grenzen ihrer Gruppen und Ideologien überwinden, tragen helle Kleidung inmitten der düsteren Schwarztöne.
Das Cello als Symbol für die bedrohte Kultur? Die muss sich auch vor dem religiösen Fanatismus Zaccharias in Acht nehmen.
Die großen Chorszenen haben immer schon entscheidend zur Popularität von Nabucco beigetragen, nicht nur wegen des überaus populären "Va, pensiero", dem Chor der versklavten Hebräer, der es zur Hymne der italienischen Unabhängigkeitsbewegung brachte. Hier beginnt er eindrucksvoll im entrückten Pianissimo und steigert sich dann sehr kontrolliert, ohne in Schunkel- und Mitsing-Gestus zu verfallen. André Kellinghaus hat Chor und Extrachor hervorragend vorbereitet. Mit sehr genau differenziertem Klang singt er pracht- und machtvoll, aber nicht lärmend und hat auch im Piano Fülle. Das Leid des Volkes - eigentlich sind es zwei Völker, Hebräer und Leviten, aber das spielt in dieser Inszenierung keine Rolle - in Kriegszeiten wird zum zentralen Thema. Und spiegelbildlich dazu eben auch der Tyrann auf der anderen Seite.
Eine mit modernen Schusswaffen bewehrte wilde Soldateska in schwarzen Kampfuniformen (Kostüme: Renée Listerdal) steht für diesen Krieg. Das ist zeitgemäßer, wenn auch etwas vordergründiger Nabucco-Standard, den Regisseur Roland Schwab aufbietet. Auf jüdische Symbolik verzichtet er. Spektakulär gelingt der Auftritt des Nabucco, der in einem thronartigen Sessel erscheint, wenn die zuvor liegende Rückwand wie eine Gefängnismauer langsam hochgeklappt wird und den triumphierenden Feldherren und König dabei mit hochfährt (Bühne: Piero Vinciguerra). Der göttliche Blitz, der ihn am Ende des zweiten Akts strafend trifft und in den Wahnsinn befördert, ist eine herabhängende Skulptur aus Leuchtschriften, die Namen und Zitate diverser Tyrannen zeigen (darunter auch Donald Trump, der sich hier in denkbar schlechter Gesellschaft wie der von Adolf Hitler wiederfindet). So wird Nabucco zum Prototyp von Tyrannen und Diktatoren. Was immerhin Anlass zur Hoffnung gibt, denn er zeigt ja im weiteren Verlauf der Oper eine erstaunliche Entwicklung hin zum geläuterten Menschen. Die Skulptur wird später zusammengebrochen am Boden liegen: Ein Fall von Diktatorendämmerung. Ob man daran glauben mag, steht dahin - es ist eben im sprunghaften Libretto der Oper so angelegt.
Viel Spaß bei den nun folgenden Hinrichtungen? In diesem Fall findet Verdi aber noch ein rettendes Ende.
Das Familiendrama, den Vater-Tochter-Konflikt zwischen Nabucco und Abigaille, ignoriert Schwab, der sich überhaupt wenig um die psychologische Entwicklung der Figuren kümmert. Fanatiker sind erst einmal beide, und auch Zaccaria scheint in seinem religiösen Wahn keine echte Alternative zu sein. Als eigentlicher Gegenspieler, wenn man so will, fungiert - ein Cello. Oder auch mehrere. Das Instrument, von den siegreichen Soldaten natürlich umgehend zerbrochen, darf man wohl als Symbol für Kultur und Zivilisation im Kontrast zu Hetze und Barbarei verstehen. Mit dem Solo-Cellisten auf der Bühne oder einer Gruppe von (leblosen?) Cellisten gelingen dem Regieteam irritierende Einschübe innerhalb des Kriegsstückes. So wird die Inszenierung unterschwellig zum Aufruf, sich durch Kultur der Verrohung zu widersetzen.
Musikalisch ist dieser Nabucco durchweg großartig und unbedingt hörenswert. In der Inszenierung von Roland Schwab bleibt manches oberflächlich und reißerisch, aber die nicht uninteressante Regie steuert ein paar spektakuläre Bilder bei.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Chor
Solisten* Besetzung der Premiere
Nabucco
Abigaille
Zaccaria
Ismaele
Fenena
Anna
Abdallo
Hohepriester des Baal
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